Kommentar Sarkozys Mittelmeer-Union: Springteufelchen wieder in der Kiste

Vorerst ist es Angela Merkel gelungen, Sarkozys Mittelmeer-Plan zurechtzustutzen. Doch wenn ab Juli Sarkozy als EU-Ratspräsident amtiert, wird es schwierig, ihn zu bändigen.

Zumindest der Name ist ein Fortschritt. Eine "Mittelmeer-Union" ist anschaulicher als ein "Barcelona-Prozess". Der frühere sperrige Titel verdankte sich dem Tagungsort, wo die EU-Mitglieder 1995 den Beschluss fassten, enger mit den Mittelmeer-Ländern außerhalb der EU zusammenzuarbeiten. In der Nacht zum Freitag einigten sich die Gipfelteilnehmer in Brüssel auf den neuen Namen und ein leicht verändertes Konzept.

Der französische Präsident und die deutsche Bundeskanzlerin hatten im Vorfeld heftig darüber gestritten, wie die neue "Union" aussehen soll. Sarkozy ging es darum, ein Gegengewicht zur östlichen Nachbarschaftspolitik der EU zu schaffen und Frankreich wieder mehr ins Zentrum europäischer Politik zu rücken. Merkel wollte verhindern, dass ein "Club Med" entsteht, bei dem die Länder ohne Mittelmeerküste nichts zu sagen haben. Das hätte die EU weiter aufsplittern können. Auf den ersten Blick hat Merkel gewonnen.

Für dieses Mal gelang es der strengen Kanzlerin, das sensationshungrige Springteufelchen zurück in sein Kästchen zu stopfen. Wenn Sarkozy ab 1. Juli für sechs Monate als Ratspräsident amtiert, wird er wesentlich schwieriger zu bändigen sein. Niemand kann ihn dann hindern, Figuren wie Libyens Staatschef Gaddafi eine respektable Bühne zu verschaffen. Im "Barcelona-Prozess" hat Libyen nur Beobachterstatus, da es bis heute nicht die UN-Charta für Menschenrechte unterzeichnet hat.

Das zeigt, dass der Barcelona-Prozess nicht nur an seinem einstigen Namen krankte, sondern vor allem an den unvereinbaren Interessen seiner Mitglieder. Da ihr so ungleiche Partner wie die palästinensische Autonomiebehörde, Israel, Algerien und Albanien angehören, kommen gemeinsame Projekte nicht in Gang. Die Fördermittel wurden bislang nur zu zwei Dritteln abgerufen.

Doch wer braucht schon Projekte. Für ein paar romantische Kamerabilder sind Begegnungen mit dem libyschen Wüstenfürsten allemal gut. Sollte Silvio Berlusconi die Wahl in Italien gewinnen, dann hat die Mittelmeer-Union noch einen Fürsprecher mehr, dem eine glamouröse Medien-Inszenierung mit vielen bunten Bildern mehr bedeutet als politische Inhalte.

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