Kommentar Sarkozy in London: Entente atomique
Sarkozys Kuscheloffensive ließ die meisten britischen Medien den Pferdefuß seiner Lobeshymne vergessen.
Es war eine Liebeserklärung. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, dem vorgestern die seltene Ehre zuteil wurde, vor beiden britischen Parlamentskammern reden zu dürfen, sprach von einer "französisch-britischen Bruderschaft für das 21. Jahrhundert". Er bedankte sich nicht nur artig für die Befreiung von den Nazis, sondern drückte auch seine Bewunderung für alles Britische aus.
Sarkozys Lobeshymne hatte allerdings auch einen Pferdefuß: Wenn Europa mehr Einfluss in der Welt haben wolle, gehe das nicht ohne stärkere Einbindung der Briten in die Europäische Union. Das blendeten die meisten britischen Medien - im Gegensatz zu Sarkozys Kuscheloffensive - lieber aus.
104 Jahre nach der "entente cordiale" geht es nun um die "entente atomique". Sarkozy war schon im Nahen Osten, in Südafrika und Südamerika, um Atomtechnologie zu verkaufen. Großbritannien ist ein besonders wichtiger Markt. Die Regierung in London hat einer neuen Generation von Atomkraftwerken grünes Licht gegeben, und die Franzosen wollen sie bauen. Gemeinsam verbrämen Sarkozy und der britische Premier Gordon Brown das als Kampf gegen den Klimawandel.
Darüber hinaus hat Brown offenbar sein Strategiepapier zur "Nationalen Sicherheit" vergessen, das gerade erst vorgestellt wurde. Man müsse darauf achten, dass "Atomwaffen oder Materialien oder Technologien nicht in die Hände von Terroristen" fallen, heißt es darin. Da erschient es nicht gerade als kluger Schachzug, zugleich den weltweiten Verkauf von Atomkraftwerken anzukurbeln.
Sarkozys Staatsbesuch in Großbritannien hatte für den Franzosen auch innenpolitische Bedeutung. Nachdem Sarkozys Popularität zu Hause aufgrund seines flamboyanten Lebensstils dramatisch gesunken ist, will er präsidialer auftreten, schließlich warten in der Heimat unter anderem die Renten- und die Gesundheitsreform. Doch dass er ausgerechnet Großbritannien als Modell preist, stößt dort auf leichte Verwunderung. Schließlich flieht schon seit langem ein ständiger Strom von Patienten vor dem maroden britischen Gesundheitssystem nach Frankreich. RALF SOTSCHECK
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