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Kommentar Sanktionen gegen den IranFortsetzung früherer Fehler

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Inzwischen liegen glaubwürdige Hinweise auf die iranischen Atomwaffenbestrebungen vor, doch statt zu verhandeln wird sanktioniert. Ein fataler Fehler.

M it ihren neuen Sanktionsbeschlüssen begibt sich die EU ein Stück tiefer in die Sackgasse, in die sie sich Anfang 2005 begeben hat. Damals setzte Bundesaußenminister Fischer zusammen mit Frankreich und Großbritannien die ultimative Forderung an Teheran zur vollständigen Einstellung der Urananreicherung durch.

Nur so, argumentierte er, könne der Westen der israelischen Regierung glaubwürdig signalisieren, dass er ihre Ängste vor einer iranischen Atombombe ernst nimmt und Israel damit von militärischen Alleingängen gegen Iran abhalten kann.

Iran-Kenner wiesen damals darauf hin, dass keine Regierung in Teheran - auch keine demokratische - bereit sein werde, diese ultimative Forderung zu erfüllen. Zu befürchten sei vielmehr eine Stärkung der Hardliner und der Atomwaffenbefürworter. Fischer wischte diese Bedenken als "ahnunglos" vom Tisch und versprach "bis zum Sommer 2005 ein umfassendes Abkommen der EU mit Iran, mit dem wir den USA einmal demonstrieren werden, wie man erfolgreich Nahostdiplomatie betreibt".

Bild: kristin flory
ANDREAS ZUMACH

ist UN-Korrespondent der taz und berichtet aus Genf.

Der Rest ist Geschichte. Aus der man lernen kann, "daß der Weg in die Katastrophe in der Regel mit guten Vorsätzen und gravierenden Fehleinschätzungen gepflastert war", wie Fischer diese Woche in einem Zeitungsbeitrag zur "iranischen Zeitbombe" schreibt.

Um die "schlechten Alternativen Krieg mit Iran oder Nuklearmacht Iran" noch abzuwenden, fordert er jetzt "äußerste diplomatische Anstrengungen". Diese werden aber nur Erfolg haben, wenn sein strategischer Fehler von 2005 korrigiert wird und EU und USA tatsächlich auf Augenhöhe mit Teheran verhandeln. Obwohl inzwischen glaubwürdige Hinweise auf iranische Atomwaffenbestrebungen vorliegen.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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1 Kommentar

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  • K
    kto

    Andreas Zumach sollte, ehe er sich das nächste Mal wieder zu einem Kommentar in Sachen Iran hinreißen lässt, sich die unmittelbare Vorgeschichte des 2. Weltkrieges noch einmal vor Augen führen. Vor diesem historischen Erkenntnis- und Erfahrungshintergrund lassen sich die handelnden Akteure und der Erfolg gewisser "Empfehlungen" wahrscheinlich besser abschätzen als durch den schönen Glauben an ein herausverhandelbares Gutes im atomar zündelnden Menschen. Ein gewisser Herr Hitler könnte 1939 fast mit den gleichen Worten über Polen geredet haben, wie es, einer Meldung der NZZ vom 1.10.2011 zufolge, das geistliche Oberhaupt des Iran in Bezug auf Israel getan hat:

     

    "Iranischer Ayatollah lehnt Zwei-Staaten-Lösung ab

    Khamenei fordert gesamtes Land für Palästinenser

     

    Der geistliche Führer Irans, Ayatollah Ali Khamenei, lehnt eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern kategorisch ab. Khamenei erklärte am Samstag, die Palästinenser sollten sich nicht auf einen Staat basierend auf den Grenzen von vor 1967 beschränken. Das gesamte Land gehöre den Palästinensern.

    (ddp) Khamenei, das geistliche Oberhaupt Irans, äusserte sich auf einer propalästinensischen Konferenz in Teheran. «Wir fordern Freiheit für Palästina, nicht für Teile von Palästina», sagte er. «Jeder Plan, der Palästina teilt, wird zurückgewiesen.» Palästina erstrecke sich vom Jordan bis zum Mittelmeer. Mit einer Zwei-Staaten-Lösung würde man den Forderungen der Zionisten nachgeben, erklärte Khamenei weiter. Israel bezeichnete er als Krebsgeschwür."

     

    http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/iranischer_ayatollah_lehnt_zwei-staaten-loesung_ab_1.12760460.html

     

    Es ist reine Tagträumerei, anzunehmen, dass ein Krebsarzt je etwas anderes im Sinn haben könnte, als den Krebs vollständig zu beseitigen. Verhandlungen zu empfehlen kann jeder - dabei käme es auch für einen taz-Kommentator darauf an, genau zu bestimmen, worüber und mit welchem Ergebnis eigentlich verhandelt werden soll. Die Anerkennung Israels gehört iranischerseits offenbar zum Kernbestand des Unverhandelbaren. Glaubt Zumach im Ernst, dass sich da für die westliche, erst recht die deutsche Politik noch ein Verhandlungsspielraum ergeben könnte?

     

    Es wäre ehrlicher, sich einzugestehen, dass manche Positionen - wie die Hitlers 1939 etwa - eben keine Verhandlungen mehr zulassen, es sei denn, man wolle sich gleich vollständig ergeben. Dann muss eben Krieg sein, tertium non datur. Wenn Halunken - erst recht ideologisch-religiös aufgeladene - es auf dich abgesehen haben, nützt kein Verhandeln - man muss kämpfen, leider. Der schiitische Mahdi-Glaube vom bevorstehenden "Erlösungskampf" steuert auf einen solchen mit unerbittlicher Konsequenz zu. Die Mullahs haben kein Interesse am Frieden - sie wollen siegen, die verhassten Juden auslöschen und wenn's geht noch ihre regionale Machtposition stärken. Wenn sie den Rubicon überschritten haben, wird es zu spät sein. Besser wäre es, ihnen jetzt die Rote Karte zu zeigen.