Kommentar Sammelunterkünfte: Erst mal alternativlos
Hamburg braucht eine Sammelunterkunft für Flüchtlinge und darf die Wohnungsnot nicht als Ausrede nehmen. Gebäude gäbe es genug, dann aber wartet ein neues Problem.
S ammelunterkünfte für Flüchtlinge gehören abgeschafft, denn niemandem darf eine solche Lagersituation zugemutet werden. Aber so lange die Erstunterbringung in Sammelunterkünften Bundesrecht ist, braucht es auch in Hamburg eine. Das ist der Punkt: in Hamburg – nicht im 70 Kilometer entfernten Horst.
Die Lösung muss sein, eine Alternative in der Stadt zu finden. Die bestehende Unterkunft in der Sportallee hat Platz für 70 Flüchtlinge, das reicht nicht. Bei allem Wohnungsnotstand ließe sich aber dennoch eine Lösung finden. Nur ist es mit dem Gebäude allein nicht getan, wenn man sich ansieht, wie Anwohner auf neue Nachbarn reagieren. In Sasel gründete sich eine Bürgerinitiative, als in einem Wohnhaus schwer erziehbare Kinder untergebracht werden sollten, in Harburg wehrten sich Anwohner gegen ein Hospiz.
Man möchte sich gar nicht ausmalen, was Anwohner alles fordern könnten, wenn eine Sammelunterkunft in ihre Straße ziehen sollte, und man kann ahnen, wie wenig die Bezirksverantwortlichen eine solche Unterkunft ausgerechnet bei sich haben wollen. Solange aber keine ergebnisoffene Suche über alle Bezirke hinweg geführt wird und solange man davon ausgehen kann, dass sich bei einer Entscheidung sofort die Anwohner zu Wort melden und über Wertverfall ihrer Grundstücke klagen, sollten Flüchtlinge in die Nähe ziehen, bleibt Horst erst mal alternativlos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert