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Kommentar SPDMetzgers Dienst an der Partei

Kommentar von Ralph Bollmann

Ein Ministerpräsident, der nicht antreten darf, eine SPD-Chefin, die nicht antreten kann: Wenn die SPD ihre Nerven behält, kann sie genüsslich bei Kochs Untergang zusehen.

A m Dienstag konnten die Sozialdemokraten ihrer hessischen Abweichlerin Dagmar Metzger wirklich dankbar sein. Mit ihrer Weigerung, Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin zu wählen, hatte Metzger der eigenen Partei zwar schwer geschadet. Dass die Abgeordnete aus Darmstadt ihr Mandat jetzt aber behält, kann für die eigene Partei vorerst nur gut sein.

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Leiter im taz-Inlandsressort.

Parteichef Kurt Beck kann weiter behaupten, in der SPD werde niemand unter Druck gesetzt. Auch sein Hinweis an die Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti, man solle nicht zweimal "mit dem gleichen Kopf gegen die gleiche Wand" rennen, findet notgedrungen Beachtung. Ein Rückzug Metzgers dagegen hätte sofort wieder eine peinliche Debatte in Gang gesetzt, ob, wann und unter welchen Umständen Ypsilanti den Griff nach der Macht doch wagen könnte - ohne dass sich einstweilen eine realistische Machtperspektive daraus eröffnet hätte.

Der Verlierer des Tages heißt dagegen Roland Koch. Solange die Öffentlichkeit gebannt auf das sozialdemokratische Laienspiel starrte, konnte sich der amtierende Ministerpräsident bequem wegducken. Jetzt steht ihm nach dem 5. April ein quälendes Siechtum als amtierender Ministerpräsident ins Haus. Seine Kabinettsriege wird zusammenschrumpfen, weil er ohne Landtagsmehrheit keine Nachrücker berufen kann. Rot-Rot-Grün, in Sachfragen vermutlich weitgehend einig, wird ihn mit unbequemen Gesetzesbeschlüssen piesacken, deren Umsetzung er allenfalls verzögern kann. Selbst Neuwahlen kann Koch ohne Mehrheit nicht herbeiführen - ganz davon abgesehen, dass ihm ein Wahlsieg nach jüngsten Umfragen trotz des Debakels der SPD nicht sicher wäre.

Ein Ministerpräsident, der nicht abtreten darf, eine SPD-Chefin, die nicht antreten kann: Nach all den Aufregungen ist die Wiesbadener Politik wieder bei jenen "hessischen Verhältnissen" angekommen, die sich am Wahlabend schon abzeichneten. Dabei stehen die Chancen für die SPD im Prinzip nicht schlecht, dem Niedergang des geschäftsführenden Ministerpräsidenten genüsslich zuzuschauen. Wenn sie denn die Nerven behält. Da kann man sich nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen nicht sicher sein.

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6 Kommentare

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  • KH
    Klaus Hirschfeld

    Die Landtagsabgeordnete Metzger hat weder den hessischen Wählern, noch der SPD gedient, sondern nur denen, die aus ihrem Verhalten einen Nutzen ziehen: Also vermutlich den Gebern "jüdischer Vermächtnisse" und sich selbst (schließlich ist der Bezug von Abgeordneten-Diäten für fünf Jahre ohne Gegenleistung kein Pappenstiel). Politisch bewirken kann die Dame jedenfalls nichts - welcher Sozi - außer vielleicht so einer wie Clement will schon mit so was etwas zu tun haben.

  • VR
    Volker Rother

    Liebe Elsa,

    "Schließlich hat die Finanzwirtschaft ja eine besonders große Antipathie gegen soziale Gerechtigkeit und eine Teilhabe aller BürgerInnen am Wohlstand unserer Gesellschaft."

     

    Von den 100,- ? die ein Normalverdiener bekommt, greift sich der Staat 53 Euro und verteilt sie. An sich, an Bedürftige, Entwicklungshilfe für China, Subvention für Steinkohle und Windernergie etc. Wann ist denn aus Ihrer Sicht soziale Gerechtigkeit erreicht? Wenn der Staat 90% abgreift?

    Ich kann mich täuschen, aber ich finde, dass Arbeitslose heute besser leben als Facharbeiter vor 50 Jahren.

     

    Seltsam finde ich auch, dass Ypsilantis Lüge niemanden aufregt, hatte sie nicht vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit den DDR-Nostalgikern abgelehnt?

  • HO
    Horst Ostendorf

    Zitat Ralph Bollmann: "Ein Ministerpräsident, der nicht antreten darf, eine SPD-Chefin, die nicht antreten kann: Wenn die SPD ihre Nerven behält, kann sie genüsslich bei Kochs Untergang zusehen."

     

    Kann sie denn Nerven behalten und zusehen - muß / wird sie vor allem zum Erhalt ihrer Pfründe nicht viel mehr in die große Koalition gehen??

     

    Wie genüsslich kann Schadenfreude sein, wenn der Schaden vor allem kein absehbares Spiel-Ende nimmt, egal ob Koch darf oder Ypsilanti nicht ..., und der komplette Untergang schon längst ...???

  • J
    Jan

    Der Verlierer in diesem Fall ist wohl in vorderster Front das Land Hessen und seine Buerger. Auch wenn sich der Verfasser des Artikels offenbar schadenfroh die Haende reibt und Roland Koch als Verlierer ausmachen moechte.

     

    Der Stillstand und das politische Patt duerfte den Buergern des Landes am meisten schaden.

  • EM
    Elsa Meier

    Selbstverständlich sollte Frau Metzger zurücktreten, denn sie steht einem Politikwechsel in Hessen im Wege. Vielleicht liegt Dagmar Metzgers Ablehnung ja daran, dass sie als Justiziarin der Kreis- und Stadt-Sparkasse Darmstadt tätig ist. Schließlich hat die Finanzwirtschaft ja eine besonders große Antipathie gegen soziale Gerechtigkeit und eine Teilhabe aller BürgerInnen am Wohlstand unserer Gesellschaft. Vielleicht liegt es aber auch an Dagmar Metzgers Posten im Aufsichtsrat der HEAG Südhessische Energie AG. Wir erinnern uns, vor der Wahl in Hessen war schon Wolfgang Clement (SPD) seiner Parteikollegin wegen ihrer energiepolitischen Positionen in den Rücken gefallen. Wenn Dagmar Metzger heuchlerisch angibt, dass sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könne, mit den Linken zusammenzuarbeiten, stellt sich mir die Frage: sind es wirklich Gewissensgründe, oder aber vielmehr gewisse Gründe, welche mit ihren Posten in der Wirtschaft zu tun haben. Zumal in Hessen innerhalb der LINKEN ja bekanntlich keine ehemaligen SED Genossen zu finden sind. Frau Metzger kann es aber mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass wesentliche Versprechen des SPD Wahlprogramms geopfert werden dürfen, beispielsweise bei einer ?Ampel? oder großen Koalition. Für die SPD gibt nur einen Ausweg aus diesem Schlamassel ? eine vernünftige, erfolgreiche Politik in Hessen, damit, wie vor der Wahl versprochen, in diesem Land Zeichen gesetzt werden können. Die Wähler haben sich mit ihrer Entscheidung für ein Programm entschieden, welches nicht wegen der Empfindlichkeiten einer einzelnen Abgeordneten zur Disposition gestellt werden darf. Erst das wäre Wahlbetrug.

  • WS
    Wolfram Schumacher

    Ich kann Ihre zynischen Einlassungen nicht verstehen. Die hessischen Verfassungsorgane Landesregierung und Landtag sind dem Volk, dem Souverän verpflichtet und nicht irgendwelchen Parteistrategien. Selbst wenn man Roland Koch nicht mag, er erfüllt seine verfassungsgegebene Pflicht. Mit welchem Recht will ein Landtag eine geschäftsführende Landesregierung vor sich hertreiben, wenn er selber seiner Pflicht zur Wahl einer neuen Regierung nicht nachkommt?

    Hallo taz! Wenn so Politik gemacht wird, wie Sie sich das offensichtlich wünschen, wird die Demokratie zur Groteske.