piwik no script img

Kommentar SPD-KanzlerkandidaturDeutschland sucht den Supersozi

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Spitze der SPD hat einen kreativen Vorschlag gemacht: Wähler sollen direkt über Kanzlerkandidaten und Abgeordnete entscheiden - eine wenig Erfolg versprechende Idee.

W enn es nach dem Willen der SPD-Spitze geht, dürfen künftig alle Wähler den Kanzlerkandidaten der SPD und auch deren Abgeordnete bestimmen können. Das klingt frisch, basisdemokratisch und offen. Die Parteiendemokratie leidet ja wirklich unter Abnutzungserscheinungen. Sie ist verkarstet, die Apparate sind überaltert, der Nachwuchs lustlos, nicht nur bei der SPD. Also raus aus den Hinterzimmern - hinaus auf die Bühne, wo das Publikum entscheidet, ob es lieber Gabriel oder Steinmeier will. Was spricht dagegen?

Einiges. Der Versuch, die grau gewordene Parteiendemokratie plebiszitär aufzumöbeln, hat immer etwas Zwiespältiges. Öffnet man die Fenster ganz weit, treibt man damit die schwindende Zahl der Genossen eigenhändig aus dem Haus. Manche werden sich fragen, warum sie Beiträge zahlen und Ortsvereinssitzungen durchleiden, wenn bei den wichtigen Entscheidungen auch Leute ohne Parteibuch mittun dürfen.

Umgekehrt: Wenn man die Hürden für Nichtgenossen zu hoch legt, dann kommt niemand, was auch peinlich ist. Die SPD versucht dies zu lösen, indem sie die Wahl des Parteichefs den Genossen vorbehält - und Nichtgenossen, die für den Kanzlerkandidaten stimmen wollen, ein paar Euro für die Abstimmungskosten zahlen müssen. Ob das funktioniert? Die "Gastmitgliedschaft" für 2,50 Euro Monatsbeitrag, mit der die SPD seit Jahren experimentiert, hat den Mitgliederschwund jedenfalls nicht gestoppt.

Bild: taz

STEFAN REINECKE ist Parlamentskorrespondent der taz.

Skeptisch stimmt auch die Geschichte der Parteireformen der SPD. Die Idee, die Organisation richtig durchzulüften, tritt zyklisch auf. So werden seit 30 Jahren, stets nach herben Wahlniederlagen, emsig Reformen ventiliert. Bisher waren sie stets Ausdruck der Krise, nie deren Lösung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • M
    MikaL

    Und ich dachte, die SPD wär jetzt die Partei der Migranten, die Migrantinische Partei, die MPD? Da gibts doch bestimmt den einen oder anderen Scharia-Kundigen für die Chefposition?

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Wahl in Bremen mal wieder gewonnen und doch letztlich wieder nur zweiter Sieger. Die SPD wird nervös ob des Hochs der Grünen. Und flüchtet sich in die Illusion:

    http://bit.ly/lQtFEA

  • H
    hans

    Die SPD überzeugt nicht mit ihrer Politik. Dass sie eine Chance auf 2013 hat, liegt an den Grünen und dem starken Niedergang der CDU/CSU. Die Partei selber hat starke Probleme, eigene Kraft, eigene Ideologie und eigene neue, frische Personen hervorzubringen. Letztlich sieht die Partei aus wie alter Kaffee, schmeckt im Zweifel bitter und schlecht. Daran können Show-Verfahren nichts ändern. Und das SPD-Hinterzimmer überlebt wahrscheinlich sogar die Partei noch selber, siehe Klaus von D. und Thilo Sarrazin ...

  • A
    AuA

    "Deutschland sucht den Supersozi"? Nein, nein, ich such ihn nicht. Der Rest von Deutschland? Zumindest die SPD sucht ihn als Oberguru. Schöder reloaded? Hilfe.