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Kommentar RusslandDie neue Dritte Welt

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Mit Putins erneuter Kandidatur fürs Präsidentenamt zeigt sich Russland nun endgültig als autoritäres Regime. Das ist keine Überraschung, nur die Gangart wird bösartiger.

W ladimir Putin hat sich entschieden und tauscht mit Medwedjew sein Amt. 2012 zieht der Premier zum dritten Mal in den Kreml ein. Diesmal wohl gleich für die nächsten zwölf Jahre - also bis 2024. Russland zeigt sich nun endgültig als autoritäres Regime.

Eine Überraschung ist das nicht und zumindest außenpolitisch auch kein Grund zur Sorge. Der Westen ist mit Putin bestens vertraut. Sein Russland war immer ein Partner, wenn auch launisch und unbequem - am Ende aber agiert er eher pragmatisch. Langfristig könnte sich das jetzt ändern.

Denn Putins dritte Amtszeit steht unter einem anderen Stern als der vom Ölpreis gepushte Einstieg des ehemaligen Geheimdienstlers vor zwölf Jahren. Inzwischen sind Staat und Infrastruktur zerfallen und die Korruption zerfrisst die verbliebenen Reste. Die überfällige Modernisierung in Armee, Bildungs- und Gesundheitswesen wurde schon in satten Zeiten versäumt. Und die von Putin nun installierte Elite wird sich um sie trotz gegenläufiger Rhetorik auch in den nächsten Jahren nicht kümmern. Russland droht der weiter beschleunigte Abstieg in Richtung Dritte Welt.

ist Russland-Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Moskau.

Autoritäre Regime reagieren - zumal wenn sie Imperien waren - auf den Verlust von internationalem und geopolitischem Einfluss meist mit stärkerer Zentralisierung und Militarisierung - nach innen wie außen. Das autoritäre Denken hält kein anderes Mittel parat, als die Gesellschaft durch die Suche nach inneren und äußeren Feinden zu konsolidieren. Auch Megaprojekte wie Olympische Winterspiele und Fußball-WM gehören dazu. Sie suggerieren dem Bürger ohne Wasserklo nationale Größe.

Beruhte Moskaus Auftrumpfen Mitte des Jahrzehnts noch auf dem Glauben, als Energiesupermacht wiedergeboren zu sein, dürfte das nächste Aufbegehren aus Schwäche nicht mehr so gutartig ausfallen.

Die neue Militärdoktrin hat dem schon vorgegriffen und nukleare Erstschläge auch bei regionalen, konventionell aus dem Ruder laufenden Konflikten abgesegnet. Ein schwächelndes Russland wird versuchen, sich durch Störmanöver im postsowjetischen Raum aufzurichten, und ansonsten auf der großen Bühne wieder den rhetorischen Gegenpart zum Westen übernehmen. Ganz nach dem Motto: Dazwischenfunken, so oft wie möglich, reizen ja - aber nie bis zum Äußersten.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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14 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • SM
    Sabine Mai

    Nun. Ich komme aus Russland und lebe 40 Km von Moskau entfernt.

    Wir haben da alle kein Wasserklo. Also zumindest nur im Selbstbau. Aber wo gehts hin. einfach in den Fluss oder auf die Straße...

     

    Wir wählen seit 10 Jahren Putin. Aber Blödsinn, wenn behauptet wird, dass man dadurch an das Stromnetz oder an die Gasversorgung angeschlossen wird.

  • R
    Richard

    Wann berichtet Herr Donath eigentlich mal darüber, dass der im Westen hochgeschätze Demokrat und Menschenrechtler Gary Kasparow mit seiner Organisation sich auf der Neonazi-Demo am 04. November beteiligt hat? Und Russlands sorgen sind doch im Vergleich zu den USA ein Witz.

     

    http://www.usdebtclock.org/

  • FP
    Frau Putin

    Ich weis nicht in welchem Russland der Autor dieses Textes lebt. Aber nicht in dem, was sich heute wieder zur Großmacht aufrichtet. Fakt ist, dass Putin dieses Land aus einem größten Tief erhob. So einen Artikel kann nur ein Mensch schreiben, der sich weder mit der Politik noch Menschen und Mentalität dieses Landes beschäftigt. Denn dann wüsste er, dass Russland nur dann überlebt, wenn ein einziger starker Mann herrscht.

     

    Alles Westpropaganda

  • CY
    cito yen

    ...ich bin ja einiges von den Lesern der Taz gewohnt, aber der Kommentar von Hr. Putin ist echt der Knaller; am Besten gefällt mir "klar gibt es Probleme"!

    Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich die irgendwie in den geographischen Osten orientierenden Freunde alles schönreden können, eine wahre Meisterleistung! Aber irgendwie auch entlarvend, wenn von der harten Hand Putins gesprochen wird, die "es" lösen wird, nachdem durch ihn zuerst Korruption, Alkoholismus, Vetternwirtschaft, Zusammenarbeit mit anderen (wahrscheinlich genauso harmlosen) Despoten ihren Schrecken verlieren und dann wundersam aus der Welt scheiden...mannomann.

    Und was bitte ist die EUdSSR? Die Europäische Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken? Selten so einen schwachsinnigen oder eher sinnfreien Post gelesen.

  • W
    Webmarxist

    Autotritäre Staaten reagieren auf Kritik empfindlich. Regimekritiker werden verfolgt und eingesperrt. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist in diesen Ländern eingeschränkt.

  • JN
    Jens N

    Ich weiß nicht so genau, ob ich jetzt lachen oder heulen soll, wenn ich lese, dass Herr Donath in Moskau ist. Wahrscheinlich befindet er sich im sozialistischen Wettbewerb mit dem Unterwasserspiegel-Schreibling Bidder vom Spei-Geil aus der Stadt der Fleischbrötchen.

     

    Viele in Russland waren offenbar geschockt von der Mitteilung. Wir sollten erst einmal sehen, wozu das führt.

     

    Der Zerfall des Staates ist wohl die Kopfgeburt von Herrn Donath. Dazu muss man die Reformen beispielsweise der Polizei ja nicht mögen, aber für das Geld der Taz-Eigentümer könnte man wohl ein wenig mehr Information erwarten.

     

    Richtig ist wohl, dass es kein besonders gutes Zeichen ist aus Moskau. Der Mangel an Zivilgesellschaft und Verantwortungsübernahme durch Einzelne ist tatsächlich ein Problem, leider auch vieler westlicher Gesellschaften.

  • F
    fred

    Klaus-Helge Donath analysiert gewohnt brillant. Ich möchte auf eine weitere mögliche Bedrohung durch Putins Rußland hinweisen. Auf youtube sind Videos zu sehen, die dänische Neonazis beim paramilitärischen Training in Rußland zeigen. http://www.youtube.com/watch?v=PC3tG3J4-5I

    Der Anführer der russischen Neonaziorganisation "Slawischer Bund" Djomuschkin brüstet sich damit, daß Gesinnungsgenossen aus ganz Europa und den USA regelmäßig nach Rußland kämen. Über die logistische und finanzielle Unterstützung der russischen extremen Rechten durch Geheimdienst und Militär spricht Djomuschkin ebenfalls öffentlich. Der Chefredakteur der Nowaja Gazeta Dmitrij Muratow warnt deshalb vor dem "Entstehen einer faschistischen Untergrundarmee in Rußland".

    Wenn also Neonazis aus ganz Europa nach Rußland zur paramilitärischen Ausbildung reisen so wie vormals die Dschihadisten nach Afghanistan, so frage ich mich vor dem Hintergrund der Ereignisse in Oslo und Utoya, ob von Putins Rußland mittel- und langfristig nicht noch ganz andere Bedrohungen ausgehen als Störmanöver im postsowjetischen Raum wie Donath zurecht schreibt.

  • A
    aurorua

    So funktionieren eben von Mietmäulern und Lobbyisten gesteuerte "lupenreine Demokratien".

  • B
    Benz

    1. Ich würde mal den Mund nicht so voll nehmen. In Zeiten von Finanz-, Liberalismus-, Griechenland-, Eurokrise usw. ist es schon ziemlich realitätsfern, wenn Westeuropäer anderen Ländern Vorschriften machen wollen... Man kann Putin und Medwedew ja vieles vorwerfen, aber in RU gibt es weder eine Währungs- noch eine Schulden- noch eine Bankenkrise.

     

    2. Bei uns wechseln sich auch seit Jahrzehnten SPD und CDU an der Macht ab. In den USA Demokraten und Republikaner.

     

    Und wenn Putin der beliebteste Politiker in RU ist- was alle Umfragen belegen- dann entspricht es ja demokratischen Standards, dass er auch zur Wahl antritt: Demokratie ist, wenn der Beliebteste gewählt wird.

     

    Allein schon der Umstand, dass zahlreiche westeuropäische Medien Gift und Galle gegen den Kandidaturentscheid Putins spuckten, zeigt, dass der Entscheid goldrichtig war.

  • A
    Aua

    Kleiner Einwurf: die russische Militärdoktrin und Realität des russischen Militärs sind ein Witz gegen das Aggressionspotential der stärksten Militärmacht der Welt, USA.

  • D
    Djoser

    Der Donut wieder. Hetzer auf immer und ewig.

  • T
    Tom

    Naja bei uns in Sachsen hat der Putin von unseren Tillich den Sächsischen Dankensorden bekommen.

     

    Wahrscheinlich weil Tillich in der BlockCDU genau dann Karriere gemacht hatte, als KGB Mörder Putin gerade ein Spionagenetz in Sachsen aufgebaut hat.

     

    Also Sachsen dankt Putin den Mörder, Danke für das KGB und natürlich fürs Blattgold.

     

    Mistige Kremelfreunde die Sachsen-Liberalen und CDU.

  • P
    Putin

    Herr Donath, wovon träumen sie in der Nacht? Klingt eher nach einem feuchten Traum eines Russophoben als nach der Wirklichkeit. Gerade Russland wird erstmal der lachende Dritte nach dem Zerfall der EUdSSR sein und für das wieder souveräne Deutschland ein verlässlicher Partner in Sachen Energielieferung einerseits und Absatzmarkt andererseits. Die USA sind pleite, wohl aber unter größter Kraftanstrengung bei gleichzeitiger massivster Schwächung rettbar, die EUdSSR hingegen auf einem wirklich absteigenden Ast. Russland hat einen sanierten Staatshaushalt, Unmengen an Ressourcen, wobei durch die Arktisansprüche durchaus noch vermehrbar, aber auch eine noch nicht satte sondern hungrige Bevölkerung. Klar gibt es Probleme, Korruption, Alkoholismus, die aber gerade durch die harte Hand Putins eher gelöst werden, als bei einer korrupten Westmarionette wie es Jelzin war. Nein Russland steht vor einem Comeback im Gegensatz zur heruntergewirtschafteten, niedergehenden EUdSSR. Und gerade für ein neues freies Deutschland finden sich hier eher Chancen als Risiken.

  • HW
    Hans Wurst

    Was für ein schlechter Kommentar:) Weiter so taz!