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Kommentar Russland und die Nato-ReformMoskaus Spiel mit dem Papiertiger

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Auf die Kooperation mit dem westlichen Verteidigungsbündnis steigt Moskau nur ein, weil es eine Beteiligung gefordert hatte und nun nicht mehr zurückkann.

D er Nato-Gipfel von Lissabon ist eine weitere Episode in der Reihe der gefeierten "historischen Ereignisse". Leider wird die vielgepriesene Aussöhnung Russlands mit der Nato ja immer wieder vom Alltag eingeholt. Ob Nato-Krieg in Jugoslawien oder im Irak, ob Russlands Einmarsch in Georgien, stets griff sich das Denken des Kalten Krieges Raum. Trotzdem: Die Absicht, gemeinsam das Problem eines europäischen Raketenabwehrsystems zu analysieren, ist ein Erfolg.

Der bedeutet aber nicht, dass Russland sich an diesem Schirm beteiligen wird. Noch schätzt Moskau die von den "Schurkenstaaten" ausgehende Bedrohung als vernachlässigbar ein. Anders als die Nato spielt die Gefährdung durch fundamentalistische Regime in der gegenwärtigen Militärdoktrin überhaupt keine Rolle. Auf die Kooperation mit dem westlichen Verteidigungsbündnis steigt Moskau daher nur ein, weil es eine Beteiligung gefordert hatte und nun nicht mehr zurückkann. Am Ende wird sich die Zusammenarbeit darauf beschränken, dass Russland die Bedingungen formuliert, unter denen die Errichtung eines Schirms tolerabel ist. Mit den Lissabonner Träumen von einer gemeinsamen Sicherheitspolitik hat das nichts zu tun.

Heute fühlt sich Moskau von der Nato nicht mehr bedroht. Dennoch braucht es das Bündnis: Die in der Sowjetunion geborene und im Geheimdienst sozialisierte politische Elite kommt ohne dieses Feindbild nicht aus. Es verdrängt die Frage, welche Rolle Russland in der globalisierten Welt noch spielen kann. Muss es sich nicht doch in ein Bündnis integrieren, um langfristig der Bedeutungslosigkeit zu entgehen? Die Nato ist der heimliche mastermind der russischen Politik. Niemand wird zulassen, ihn endgültig zu entdämonisieren.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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3 Kommentare

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  • D
    Denis

    Eine gute Analyse von Herrn Donath. Es wäre ja auch ein Zeichen überragender Dummheit, wenn die russischen Politiker tatsächlich noch in der Nato eine Bedrohung sehen würden. Diese Version wird nur noch dem russischen Volk und den Leichtgläubigen im Westen mittels der immer noch bestehenden Propagandamaschinerie verkauft. In Wirklichkeit wissen Putin und Co. längst, daß die Nato keine feindliche Macht mehr ist, daher auch die jüngsten Anbiederungsversuche aus Moskau.

  • SY
    smukster ypc

    Ach, und die NATO braucht kein Feindbild? M.E. braucht sie das noch sehr viel dringender als Russland, da sie, anders als dieses, nur als Militaerbuendnis existiert. Und bedeutungslos wird Russland sicher nicht bei dieser Flaeche und diesen Gasreserven...

     

    Der Kalte Krieg mag offiziell vorbei sein, die Ost-West-Konkurrenz ist es nicht - ob die momentan freundlichen Toene etwas zu bedeuten haben, werden wir erst in Zukunft wissen. Russland wird jedenfalls nicht mehr so dumm sein, NATO-Versprechungen leichtfertig zu glauben.

  • V
    vic

    "Die russische politische Elite kommt ohne das Feindbild nicht aus".

    Mag sein, aber unsere politische Elite braucht das Feindbild nicht minder.

    Mit dem Unterschied, dass unsere Elite jetzt zwei hat. Zum Teil noch das alte, also Russland; zum großen Teil jedoch abgelöst von Muslimen.