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Kommentar RüstungsausgabenEin halbes Prozent für den Hunger

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

1.738.000.000.000 Dollar – soviel haben die Staaten weltweit im vergangenen Jahr für ihr Militär ausgegeben. Das entspricht 249 Dollar pro Mensch auf diesem Planeten.

D ie Zahlen, die das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI in seinem am Montag erscheinenden Jahrbuch nennt, drängen eine banale Frage auf: Könnte nicht mit wenigstens einem Bruchteil der Militärmilliarden und der Arbeitskraft der sieben Millionen in der Rüstungsindustrie Beschäftigten Konstruktiveres angestellt werden?

Zumal, wenn man sich die Rechnung vor Augen führt, die am Wochenende die Hilfsorganisation Caritas bei ihrem Kongress „Welt ohne Hunger“ in Wien aufmacht: Weniger als ein halbes Prozent der weltweit für Militär aufgebrachten Summe würde genügen, um das Problem von Hunger und Unterernährung nachhaltig angehen zu können. Auch andere Zahlen nennt SIPRI.

Ihre vorwiegend militärische Reaktion auf den 11. September 2001 mit den Invasionen im Irak und Afghanistan hätten den USA bis 2011 zusätzliche Rüstungskosten von 1.200.000.000.000 Dollar verursacht. Langfristig sei für den „War on Terrorism“ von Kosten in Höhe von 4.000.000.000.000 Dollar auszugehe

„War on Terrorism“

Bild: privat
REINHARD WOLFF

ist Skandinavien-Korrespondent der taz.

Nicht annähernd geschätzt werden könnten dabei aber die ökonomischen Kosten durch Zerstörung von Kapital, Infrastruktur und den „Verlust menschlichen Kapitals“. Die Hoffnung, dass die Beendigung der dortigen militärischen Engagements bei den Rüstungsausgaben zu einem Knick nach unten führen könnte, sollte man laut SIPRI besser nicht haben.

Zwar sind – inflationsbereinigt - die Ausgaben für Waffen und Soldaten 2011 erstmals seit 1998 nicht mehr weiter angewachsen. Doch nicht, weil sie ihren Zenit überschritten hätten, meint das Stockholmer Institut, sondern weil sich eben auch bei diesen Budgets die seit 2008 herrschende Wirtschafts- und Finanzkrise bemerkbar mache.

„Die wichtigsten Sicherheitsherausforderungen der nächsten Jahre lassen sich nicht mit traditionellen militärischen Mitteln erreichen“, betont SIPRI: Statt immer mehr Rüstung sei „eine innovative Integration von präventiver Diplomatie, vorbeugenden und Frühwarn-Technologien und kooperativen transnationalen Partnerschaften“ notwendig. Man könnte es auch anders formulieren: Wie lange wollen wir noch Politiker wählen, die den Rüstungswahnsinn immer weiter treiben?

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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6 Kommentare

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  • R
    rita

    Hand auf's Herz, Helmut: Von wem wirst du bezahlt?

     

    Wenn ich mir deine Auslassungen so durchlese, darf ich also niemandem glauben, schon gar nicht den Organisationen, die Regierungshandeln und kapitalistisches Wirtschaften kritisieren, denn Nächstenliebe, kritisches Hinterfragen und Einsatz für ökologische Belange haben stets handfeste finanzielle Interessen im Hintergrund und sind grundsätzlich abzulehnen, weil schädlich für die Wirtschaft. Und die Wirtschaft ist für alle gut und wird's in Zukunft schon wieder richten. (Es gibt sowieso zu viele Menschen auf der Welt und Bildung für Alle ist auch schlecht, denn wo kommen wir hin, wenn alle mitreden wollen?!)

     

    Stimmt's, Helmut?

  • AJ
    Andreas J

    an Helmut,

     

    so ein Schwachsinn! Wenn das Geld in andere Bereiche gesteckt wird, entstehen dort neue Arbeitsplätze. Unser Sozialsystem ist nicht abhängig von der Rüstung wie du behauptest. Bist du in der Rüstungsindustrie tätig, oder warum schreibst du hier so einen Mist?

  • H
    Helmut

    Ich rate zu etwas Gelassenheit. Denn erstens sind diese hier veröffentlichten Zahlen nur die halbe Wahrheit, es ist hier ähnlich wie bei Demonstrationen, wo die Veranstalter 100.000 Teilnehmer zählen und die Polizei 20.000, die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen, denn das SIPRI hat ja ein ureigenes Interesse daran, ständig vor ausufernden Militärbudgets zu warnen - das ist ja sein Geschäftsmodel. Auch ist das SIPRI kein "Institut" im Sinne einer wissenschaftlichen Einrichtung und es ist auch erst recht kein Think Tank, sondern eher mit Greenpeace oder Amnesty gleichzustellen. Das freie Erfinden von genehmen Zahlen und das Leugnen von Fakten sind Bestandteil des Geschäftsmodels - da steht das SIPRI den Rüstungsfirmen ind nichts nach, Lügen wie gedruckt tun beide.

     

    Wichtiger ist eher die unbestrittene Tendenz, weniger für Rüstung auszugeben - die mag teilweise an der Finazkrise 2008 liegen, eher aber an der Schuldenkrise 2012 ff. - und vor allem auch an der mittlerweile auch in den Regierungen der westlichen Welt angekommenen Erkenntnis, dass Rüstungsausgaben, ebenso wie Sozialausgaben, nichts zum Wachstum eines Landes beitragen. Insofern sollte man die Kürzung der Militärbudgets nicht allzu super finden, denn die Sozialbudgets werden ebenso und noch stärker gekürzt. Nicht aus militärischen oder sozialen, sondern auch rein wirtschaftlichen Gründen - und das ist auch ziemlich gut so, denn Budgets, seien sie Sozial- oder Militärhaushalte, sind nun mal eine wirtschaftliche Veranstaltung, die sich nur und ausschleißlich an wirtschaftlichen Kriterien messen lassen sollte. Freuen wir uns also über den gestiegenen wirtschaftlichen Sachverstand in Regierungen, der Militärbudgets drastisch schrumpfen lassen wird - aber seien wir uns gleichzeitig bewusst, dass die Sozialbudgtes mitschrumpfen werden. Steigende soziale Wohltaten und sinkende Militärausgaben - dieser absonderliche linke Traum wird - völlig zu recht- auch immer ein Traum bleiben.

  • A
    Anton

    Dazu kommen noch die vielen Milliarden, der vielen

    Hilfsorganisationen,welche sich um die unzähligen

    Verlezten ,Verhungernden und Geschädigten kümmern.

    Auch wenn hier in Deutschland alles ruhig ist, der Schein trügt.

  • C
    chrisfre

    Man müsste diesen Kommentar in alle zuständigen Ministerien einschleusen! Dazu noch den Ertrag deutscher Waffenexporte

  • A
    Amir

    vielen, vielen Dank.