Kommentar Rücktritt in Bremen: Verblödung hat Zukunft
Eine Politik unterhalb ihrer Ansprüche ist mit der Bremer Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper offenbar nicht zu machen.
V or einem Jahr ließ sich Ex-Bürgermeister Henning Scherf (SPD) im Spiegel mit der scheinbaren Einsicht zitieren, die große Koalition habe „ein paar Lehrer zu viel“ eingestellt – eine krasse Aussage. Denn in Wirklichkeit hatte sein Senat für das bundesweit schlechteste numerische Schüler-Lehrer-Verhältnis gesorgt.
Wie zynisch diese Diagnose war, lässt Renate Jürgens-Piepers gestriger Rücktritt ermessen: Sie hat aufgegeben, weil es ihr zwar gelungen ist, derartige Kennzahlen auf einen deutschen Durchschnittswert zu hieven – ein Erfolg im Haushaltsnotlageland! – nicht aber auf einen Wert, der den Erfordernissen des Zweistädtestaats und von guter Bildung entspräche: Inklusion verwirklichen, eine neue Schulform aufbauen, die das stressige Gymnasium so alt und muffig aussehen lässt, wie es ist, und den Ausbau der Ganztagsschule – das kostet.
Unterhalb dieses Anspruchs – ist Bildungspolitik mit Jürgens-Pieper offenbar nicht zu machen. Das ist aller Ehren wert – und es wäre angebracht, darüber nachzudenken. Denn Konsolidierungspfad und Schuldenbremse haben nur den Sinn, unsere Kinder und Enkel nicht mit Schulden zu erdrücken. Bloß: Eine verschuldete, aber gut ausgebildete Generation hat durchaus Chancen, aus der Misere zu entkommen. Eine nicht ganz so verschuldete, die aber leider verblödet ist, hat dagegen keine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau