piwik no script img

Kommentar Rücktritt des JustizsenatorsWarnschuss für Wowereit

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Selbst als jedem klar war, dass der 55-Jährige aufgeben muss, versuchte Braun noch, sich mit einem Teilrückzug zu retten. CDU-Chef Frank Henkel hat dieses unwürdige Schauspiel eineinhalb Wochen lang laufen lassen.

D er Rücktritt von Michael Braun kommt spät, zu spät. Elf Tage lang konnte die Berliner CDU zeigen, dass sie - allen Versprechungen zum Trotz - zu guten Teilen noch ganz die Sumpfpartei ist, die 2001 mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt worden war. Braun hat sich wie ein Politiker der alten Schule präsentiert: Einmal ertappt, hat er erst geleugnet, dann ein bisschen was zugegeben und sich schließlich in der Rolle als brutalstmöglicher Aufklärer versucht. Selbst als jedem klar war, dass der 55-Jährige aufgeben muss, versuchte Braun noch, sich mit einem Teilrückzug zu retten. CDU-Chef Frank Henkel hat dieses unwürdige Schauspiel eineinhalb Wochen lang laufen lassen.

Was noch schlimmer ist: Klaus Wowereit hat Frank Henkel eineinhalb Wochen lang laufen lassen. Außer einem kritischen Sätzchen in einer Boulevardzeitung und einer kurzen Stellungnahme im Abgeordnetenhaus hat sich der Regierende Bürgermeister aus der wohl schnellsten Senatskrise aller Zeiten rausgehalten. Dabei hat Wowereit diese Krise ja zu verantworten: Noch vor wenigen Monaten war die Union eine Partei non grata, eine Regierungsbeteiligung unwahrscheinlicher als ein Flug zum Saturn. Die Abgeordnetenhauswahl ergab eine satte Mehrheit für tendenziell linke Parteien. Und doch holte Wowereit die CDU zurück aus dem politischen Niemandsland - um seine Macht und die seiner Partei zu sichern.

Dass die CDU so runderneuert ist, wie sie sich gern präsentierte, haben nicht alle geglaubt - nicht in der SPD, nicht bei den Oppositionsparteien, nicht einmal in den unionsnahen Springer-Zeitungen Morgenpost und BZ. Das zeigt sich etwa daran, dass auch diese Blätter in bemerkenswerter Offenheit die Affäre angingen. Dieser überraschend starke Gegenwind hat erst dazu geführt, dass Braun so schnell wieder als Notar arbeiten muss.

Ganz offensichtlich hat jedoch Wowereit die Berliner Union völlig falsch eingeschätzt. Inzwischen sollte ihm klar geworden sein, dass die CDU nicht der einfache Regierungspartner ist, den er sich gewünscht hat. Dass er nicht früher zur Braun-Affäre klar Stellung bezogen hat, beschädigt sein Image als Regierender Machtmensch. Er muss hoffen, dass Braun nur so lange im Gedächtnis bleibt, wie er Senator war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!