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Kommentar Rücktritt WulffMerkel braucht den Konsenspräsi

Ines Pohl
Kommentar von Ines Pohl

Der nächste Präsident kann nicht aus dem politischen Establishment kommen. Dort gibt es zu viele, die Promifreunde und Elitenklüngel zu wichtig nehmen.

Ihn interessiert nicht, wer Wulffs Nachfolger wird. Bild: dpa

J etzt ist es also soweit: Wulff hat seinen Rücktritt erklärt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sind damit schon zwei Bundespräsidenten abhanden gekommen. Zwei Männer, die sie ausgesucht und damit zu verantworten hat. Den einen, damit er ihr den Rücken freihält (Köhler). Den zweiten, damit er ihr nicht in den Rücken fällt (Wulff).

Nun sind sie beide weg, und Merkel steht wieder da mit einem leeren Schloss, einem verhassten Übergangspräsidenten (Seehofer) und jeder Menge Fragen, was zum einen ihre Menschenkenntnis anbelangt und zum anderen ihre Fähigkeit, große Krisen zu handhaben.

Im Fall von Horst Köhler mag man wohlwollend anrechnen, dass ihr Mut, einen Nicht-Politiker ins höchste Staatsamt zu heben, zwar bestraft wurde. Sie hat aber den an sich lobenswerten Versuch unternommen, die deutsche Unsitte aufzubrechen, die nur Menschen eine politische Karriere ermöglicht, die von klein auf die parteipolitischen Kaderschulen durchlaufen haben.

Bild: Archiv
Ines Pohl

ist Chefredakteurin der taz.

Wozu genau das führen kann, sieht man ja nun bei Wulff. Was heisst nun all das? Merkel steht unter Druck, die große Koalition dräut. So viel steht fest. Deutschland rutscht nicht in eine Staatskrise, die Befürchtungen hat inzwischen auch niemand mehr.

Viel spannender als die schon wieder aufflammende Diskussion um beschädigte Würde des Präsidentenamtes ist die Frage, welchen konsensfähigen Kandidaten Merkel jetzt aus dem Hut zaubert. Es wird wohl wieder jemand außerhalb des politischen Establishments sein müssen, in dem es ja offensichtlich so viele gibt, die keinerlei Gefühl mehr dafür haben, dass es wichtigeres gibt als Promifreunde und Elitengeklüngel.

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Ines Pohl
Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)
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20 Kommentare

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  • PP
    Paul Pretzel

    Selbstverständlich gibt es die Lichtfigur, die jeder anständige Deutsche liebt: Franz Beckenbauer, der Kandidat der Herzen.

     

    Und tricksen kann Mutti auch, indem sie ihn vorschlägt: Der könnte auch Kanzler werden, wenn er wollte. Also fix den Kaiser zum Bundespräsi gemacht, solange es noch geht.

  • S
    sido

    bushido schmeißt den laden!

  • T
    tempo

    wie wäre es denn mit einem der Alt-Bundespräsidenten, die mussten nicht zurückgetreten, waren also moralisch alle ganz sauber, wenn sie trotzdem zurücktreten müssten, bräuchten man sich immerhin nicht um den Ehrensold grämen, dennn den bekommen sie ja sowie schon. Oder vielleicht ja auch Arbeitsteilung. Einer zum Unterschreiben (Scheel), einer für Reden im Inland (v. Weizsäcker), einer für Auslandreisen (Herzog)?

  • G
    Guttenberg

    Ich mach das!

  • V
    vic

    Ohne die Linke kein Konsens.

  • WS
    Werner Steinbrink

    Ich schlage Jutta Limbach vor!

  • DP
    die Politikfreunde

    Wir schlagen Heiner Geißler als BP vor.

     

    Ein streitbarer Demokrat, engagiert, nimmt die Bürger ernst, ist glaubwürdig und geniesst über alle Parteigrenzen hinweg (außer vielleicht die FDP) großen Respekt.

    Also, macht Euch stark für HEINER FOR PRESIDENT.

     

    Wir haben dieses Wochenende viel diskutiert und sind der Ansicht, das Finanzmärkte international neu geordnet werden müssen. Angela Merkel hat schon im Atomausstieg bewiesen, dass als Physikerin Fakten immer wieder bewerten kann. Wie wäre es mit Heiner Geißler als Präsidenten, der Angela Merkels/Sarkozys/Merkozys Kampf gegen die ausgeuferte Finanzindustrie unterstützt. Es sind dicke Bretter zu boren und Rückhalt in der Bevölkerung für eine Kombi MERKEL/GEIßLER wäre gegeben und würde Frau Merkel sehr viele Handlungsoptionen geben.

  • T
    tabernac

    Warum tut die Taz nur so, als ob die Kanzlerin den Präsidenten wählen würde. Schreibt doch mal wie so eine Wahl auch aussehen könnte. Man regt sich über Wahlen in Rußland auf, weil das das Ergebniss vorher schon bekannt ist. Und hier nehmen die Medien es als gegeben hin - und unterstützen dies sogar - wenn der Präsident schon vorher ausgemauschelt wird.

  • F
    Falmine

    Richtig, Frau Pohl! Jetzt eine starke Frau, glaubwürdig, lebenserfahren und gut vernetzt, aber klüngelfrei? Ohne pietistischen Furor, dafür mit Humor und Gelassenheit? Meine Favoritin ist Marianne Birthler. Damit könnte Angela Merkel eine Menge gutmachen und die Kandidaten aus ihrem Küchenkabinett vergessen lassen!

  • MD
    Martin D.

    ach, so ein BP als feindbild war doch gar nicht so übel. oder braucht ihr einen zum kuscheln so kurz vor dem wahlweise welt- oder eurountergang?

  • R
    robbyy

    Ich hätte gerne einen Otto Normalverbraucher als Bundespräsidenten.

     

    Einer der nie in der Öffentlichkeit war, doch ein paar Sätze unfallfrei sprechen kann; Einer der bisher sein Leben von 1000 Euro im Monat am Fließband bestreiten musste und dem das Finanzamt schonmal wegen drei zuviel angegebenen Kilometern bei der Entfernungspauschale den Prozess gemacht hat; Einer der zwei/drei Punkte in Flensburg hat und auch mal angeschwips hinterm Steuer sitzt; Einer der dem Rösler mal die Leviten liest, weil er weiß wie schwer man für die Sanierung der Zähne arbeiten muss; Einer der bei der Bundeswehr, Feuerwehr oder im Altersheim gedient hat und vielleicht auch seinen Kopf in Afghanistan hinhalten musste;

     

    Endlich Einen dem man tatsächlich die Fehler nachsehen kann, weil er aus der Mitte des Volkes kommt; .....

     

    Wir losen ihn aus einen großen Topf, in mind. 30 Millionen Kandidaten sind, hieven ihn für drei Monate ins Amt und geben ihm anschließend ein lebenslanges Taschengeld von 500 Euro im Monat. Dann erst ist der Bürger richtig repräsentiert, Fehlbesetzung bald überstanden und jeder kann auf das kleine große Glück hoffen.

  • J
    jörgkrauß

    Möchte mich Frau Pohl ohne wenn und aber anschließen und wünsche mir einen BP, der wieder Solidarität und Vertrauen für allen Menschen dieses Landes in die Politik bringen kann.

  • H
    Hannes

    Ich brauche eigentlich gar keinen Präsident. Von mir aus könnte man dieses Amt abschaffen. Was mir an Wulff gefiel und das ist auch das Einzige an ihm, dass er gegen Rechtsextremismus Position bezogen hat. Dafür danke ich ihm. Ansonsten dürfen wir uns auf einen Politik-Krimi gefasst machen, denn die SPD wittert Morgenluft und das Anti-Merkel-Lager hat einen Moment des Stänkerns für sich erarbeitet. Sollten diese Leute mit Grünen und SPD einen Kandidaten finden, könnte es peinlich werden.

     

    Übrigens sollten die Linken auch gehört werden, wenn es um das Thema Konsens-Präsidenten geht, sonst wäre es ja kein Konsens, sondern nur ein Parteipräsident alten Zuschnitts. Und ich denke, dass sich die LInke in der Wulff-Debatte sehr respektvoll und reflektiert verhalten hat.

     

    Der neue Präsident sollte bescheiden, engagiert und ohne dunkle Flecken daher kommen. Alles andere versenkt dieses Amt. Übrigens haben auch Vorgänger dort schon genug verbockt. Zum Beispiel das Hartz-Paket: Die Unterschrift unter diese Gesetze hat eine Prozesswelle ausgelöst, weil es zu viele Konflikte zwischen Grundrechten und Pflichten durch das SGB gibt. Die werden dann vor Gericht entschieden, weil es in diesem Gesetz viel zu viele Unklarheiten gibt. Also: Ein neuer Präsident sollte in so einem Fall auch mal eine Nachbearbeitung fordern, anstatt die Sozialgerichte zu sprengen.

  • J
    J.Riga

    So was!

    als wenn nur Politiker den "Promiklüngel" und die "Seilschaften" zu ernst nähmen. Jetzt sollen es die angesehenen Menschen, am besten weiblich, mitten aus der Gesellschaft richten. diese sind doch nur prominent und relevant, weil sie viele wichtige Leute kennen.

    außenseiter sind nicht präsentabel.

  • K
    Keiner

    Vielleicht sollten Sie Diekmann nicht nur die Jubiläumsausgaben der TAZ machen lassen. Der Unterschied wäre wohl, urteilt man nach diesem Kommentar hier, kaum zu bemerken.

     

    Denn man muss seine Leser schon für sehr unterbelichtet halten, um ihnen Politik so jenseits aller Inhalte beschreiben zu wollen, wie Sie das tun: die ‚abhanden’ (der Kanzlerin, nicht der Gesellschaft insgesamt) gekommenen Bundespräsidenten, der ‚verhasste’ Seehofer, die mangelnde ‚Menschenkenntnis’ der Kanzlerin, das leere Schloss – Märchenstunde?

     

    Welche ‚Kaderschule’, wenn Sie im Übrigen die Nachfrage gestatten, soll denn Wulff durchlaufen haben?

     

    In Ihrem letzten Kommentar zu Wulff haben Sie die (in meinen Augen diffamierende) Vermutung geäussert, Wulf werde die Rede bei der bevorstehenden Gedenkveranstaltung für die Opfer der Nazi-Morde nutzen, um sich an sein Amt zu klammern – wieso entgeht Ihnen, dass Wulff angekündigt hat, dass an seiner Stelle die Bundeskanzlerin (und kein CSU-Politiker) diese zentrale Rede halten wird?

     

    „Christian Wulff hat sich in seiner Amtszeit voller Energie für ein modernes, offenes Deutschland eingesetzt. Er hat uns wichtige Impulse gegeben und deutlich gemacht, dass die Stärke dieses Landes in seiner Vielfalt liegt.[...]“ – in den paar Sätzen, mit denen die Kanzlerin zum Rücktritt des Bundespräsidenten Stellung genommen hat, lassen sich diese beiden doch kaum überlesen.

     

    Sie zeigen, dass sowohl Merkel als auch Wulff erkannt haben, wie wichtig es ist, in Zeiten der Krise Chauvinismus und Xenophobie eine klare Absage zu erteilen.

     

    Es kann keine Rede davon sein, dass Wulff der Kanzlerin in den Rücken gefallen sei, sondern sie verliert in einer innenpolitisch ausserordentlich wichtigen Frage im Gegenteil einen Verbündeten.

     

    Dass BILD und FAZ daran gelegen zu sein scheint, nationalistische und rechtspopulistische Vorurteile zu pflegen und zu befördern, hat Tradition. Aber warum verzicchtet auch die TAZ darauf, die politische Dimension, den inszenierten Skandal, auch nur ansatzweise ins Auge zu fassen?

  • A
    Armleuchter

    Es ist eine Unverschämtheit von dieser sogenannten "Kanzlerin" CDU-Merkel, zu behaupten, CDU-Wulff habe die Republik im Ausland wie im Inland würdig vertreten! Warum ist dann wohl dieser sogenannte "Bundespräsident" überhaupt abgetreten, wenn alles so toll war, Frau Merkel?

  • P
    Paradoxum

    Wer stets über den Prominentenklüngel schimpft und ihn trotzdem wählt, der hat sie nicht mehr alle. Solange diese Vetternwirtschaft nicht aufhört, sollte man diese "Triebtäter" nicht länger mit seiner Stimme unterstützen. Weil man einen Klüngel mit den Versicherungen hat führt man die Riesterrente ein-,so sind mal direkt 8000 EURO für die Versicherung. Weil man einen Klüngel mit den Energiekonzernen hat, dürfen die willkürlich die Energie-Preise erhöhen.Weil man einen Klüngel mit den Banken hat, haben die Narrenfreiheit. Und, Und...-Wo ist Loyalität zum Volk geblieben, dass sie ja eigentlich vertreten müssten? Die lachen sich tot über uns. CDU 38%...da fasst man sich an den Kopf!

  • HS
    Helmut Springer

    Es gaebe da ja den Vorschlag Georg Schramm...

     

    Den grossen Schritt, das Amt mit dem des Bundestagspraesidenten zu vereinigen, wird man wohl leider nicht gehen. Die Chance waere da.

  • F
    @flugmueller

    Bevor uns die Parteien wieder einen Kandidaten vorsetzen, sollten wir der Souverän sofort Vorschläge machen.

    #BuPräVorschlag unter Twitter wäre doch was.

  • O
    oranier

    "Angela Merkel sind damit innerhalb nur eines Jahres zwei Bundespräsidenten abhanden gekommen."

     

    Nach welchem Kalender? Sonne, Mond oder hinter dem Mond?