Kommentar Rücktritt Guttenbergs: Unterwegs Richtung Abgrund
Die Union könnte jetzt einfach zugeben, dass sie einem Betrüger aufgesessen ist. Ist ja keine Schande. Aber es gibt immer Unbelehrbare, wie Horst Seehofer.
N och immer hätte die Union eine Chance, aus der Wertedebatte mit ein paar Schrammen herauszukommen. Das gilt nicht für die Bundeskanzlerin. Die Physikerin hat ihr spaltbares Menschenbild so offenherzig beschrieben, dass künftig gelacht werden darf, wenn sie von Gesetzestreue spricht.
Aber andere in CDU und CSU könnten sich der Formulierung des Bayreuther Juristen Oliver Lepsius anschließen und sagen, man sei eben einem Betrüger aufgesessen. Das ist schließlich keine Schande.
Immer wieder fallen Frauen auf Heiratsschwindler herein und Autokäufer auf windige Gebrauchtwagenhändler. Karl-Theodor zu Guttenberg sind Medien und die Mehrheit der Bevölkerung auf den Leim gegangen. Wer getäuscht wird, braucht meist etwas Zeit, um sich das einzugestehen.
Für die Union wäre diese Rechtfertigung der letzte Ausweg, will sie nicht den Eindruck verstärken, Kalkül und Vetternwirtschaft über das Gesetz zu stellen. Wählt sie den nicht, dann kann es für sie nur schlimmer werden.
Die Staatsanwaltschaft Hof sieht den Anfangsverdacht einer Straftat als gegeben an und ermittelt. Die Universität Bayreuth scheint den Täuschungsvorwurf an die Adresse von zu Guttenberg bestätigen zu wollen. Vor diesem Hintergrund wird Solidarität mit dem Beschuldigten zur Nibelungentreue.
Es gibt immer Unbelehrbare. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer gehört dazu. Statt im Interesse der Union froh und dankbar zu sein, dass wenigstens einige Aufrechte wie Bundestagspräsident Norbert Lammert ihre Maßstäbe nicht dem Diktat von TED-Befragungen unterworfen haben, möchte er jetzt Vergeltung üben.
In einer "politischen Familie" müsse man solidarisch sein mit einem Kollegen, der in Bedrängnis geraten sei. Wo zieht er die Grenze? Bei einem Banküberfall? Seehofer marschiert stramm und treu auf den Abgrund zu. Auf seine Begründung sinkender Wahlbeteiligungen darf man gespannt sein. Ach, nein - vielleicht doch nicht. Auch die ist ja vorhersehbar.
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