Kommentar Rote Liste: Der Hamster und das Klima
Das Artensterben ist auch deshalb so gefährlich, weil seine Folgen eben nicht absehbar sind.
D ass der Feldhamster vielleicht aus Deutschland verschwinden wird, ist eine leise Katastrophe. Mehr als 40 Prozent aller heimischen Wirbeltierarten gelten als heute gefährdet. Und? Wo liegt für all jene, die sich nicht zur Gemeinde der Tierfreunde zählen, das Problem? Man weiß es nicht genau. Das Artensterben ist auch deshalb so gefährlich, weil seine Folgen nicht absehbar sind.
Beispiel Biber: Vor hundert Jahren galt er als Schädling, der wertvolle Flächen unter Wasser setzte. Heute haben wir begriffen, dass seine Stauseen Moore erhalten, die das Klima schützen. Welchen Wert der Mensch einem Tier im Ökosystem zuweist, hängt davon ab, wie viel er von ihm weiß. Dass es dem Biber wieder besser geht, verdankt er vor allem Naturschutzgebieten. Die aber helfen Feldhamster und viele Vogelarten nicht. Sie benötigen keine abgeschirmten Areale, sondern eine andere Nutzung von Wiesen und Feldern. Sie sind auf Bauern angewiesen, die ihr Land mit ihnen teilen.
Die Agrarpolitik der EU-Staaten trägt dieser Erkenntnis durchaus Rechnung. Seit dem vergangenen Jahr bekommen die Landwirte weniger Geld für ihre Anbaufläche, dafür Ausgleichszahlungen für Naturschutz. Doch es wurde viel zu wenig Geld umgeschichtet. Und zunehmend gerät der Artenschutz in einen Zielkonflikt mit dem Klimaschutz. Dass der Anteil an erneuerbaren Rohstoffen an der Produktion von Energie und Gütern steigt, ist wünschenswert, doch das geht eben nur in einer intensiven Landwirtschaft.
Die Bauern sind Rohstoffproduzenten der Zukunft, und sie sind die Garanten für biologische Vielfalt. Politische Aufgabe ist es, die Interessen Artenschutz und Erzeugung von Biomasse ständig neu auszutarieren. Das ist schwierig, kann aber gelingen - wenn die Akteure anerkennen, dass die Landwirtschaft mehr als andere Branchen nicht vornehmlich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu beurteilen ist.
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