Kommentar Rechtsruck in Ungarn: Europa, stoppt völkische Rechte!
Ungarn hat sich in eine nationalistische Schmuddelbude verwandelt, wo Blut-und-Boden-Ideologien gedeihen. Indifferenz der Fidesz-Partei hat den Aufstieg der Rechtsextremen gefördert.
Z u Zeiten des Kommunismus galt Ungarn als die lustigste Baracke des Ostblocks. Zwanzig Jahre nach dem Ende der kollektivistischen Diktatur hat sich das Land in eine nationalistische Schmuddelbude verwandelt, in der Blut-und-Boden-Ideologien gedeihen, Pseudodemokraten die glorreiche Geschichte der Magyaren beschwören und militante Rassisten auf offener Straße mit Musketen und Molotowcocktails gegen eine angebliche "Überfremdung" kämpfen.
Was nach 1990 in giftigen Graffitisprüchen wie "Wählt keine Juden" erstmals zum Ausdruck kam, ist zwanzig Jahre später zur wahren Sturzflut geworden. Die Rechtsextremisten der Jobbik-Partei und ihre militanten Gefolgsleute aus der Neuen Ungarischen Garde hetzen ungeniert gegen Homosexuelle, Roma und Juden.
Sie überfallen Viertel, in denen Roma leben, und treten für die Wiederherstellung eines Großungarns ein, indem sie die Angliederung all jener Provinzen Rumäniens, der Slowakei, der Ukraine und Serbiens fordern, in der ungarische Minderheiten siedeln. Darum mobilisieren sie in den Nachbarländern Jugendliche, die der ungarischen Minderheit angehören, in paramilitärischen Camps, um sie auf den "Anschluss" ans Mutterland vorzubereiten.
Das vornehme Schweigen der nationalpopulistischen Fidesz-Partei hat den Aufstieg der rechtsextremen Hassprediger begünstigt. In ihrem missionarischen Eifer, die seit acht Jahren regierenden Sozialisten von der Regierungsbank zu verdrängen, setzten sie der völkischen Rhetorik der Jobbik-Partei nichts entgegen. Im Gegenteil: Der künftige Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei ergingen sich selbst in einem völkischen Populismus und gaben den Rechtsextremisten das Gefühl, heimliche Verbündete im Kampf gegen die postkommunistischen Sozialisten zu sein, die im Falle eines Falles sogar an den Regierungsgeschäften beteiligt würden.
Da die Fidesz nun die absolute Mehrheit erobern konnte, wird es dazu nicht kommen. Zum Glück. Doch das ist noch lange kein Grund zum Aufatmen.
Als in Österreich Jörg Haiders rechtspopulistische FPÖ an der Regierung beteiligt wurde, ging ein Aufschrei durch ganz Europa. Die ungarische Fidesz hat die Haiderianer in vielerlei Hinsicht längst rechts überholt. Europa aber hat vor dieser Entwicklung viel zu lange die Augen verschlossen. Es ist an der Zeit, die Scheuklappen abzulegen.
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