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Kommentar Rechtsruck in UngarnEuropa, stoppt völkische Rechte!

Kommentar von William Totok

Ungarn hat sich in eine nationalistische Schmuddelbude verwandelt, wo Blut-und-Boden-Ideologien gedeihen. Indifferenz der Fidesz-Partei hat den Aufstieg der Rechtsextremen gefördert.

Z u Zeiten des Kommunismus galt Ungarn als die lustigste Baracke des Ostblocks. Zwanzig Jahre nach dem Ende der kollektivistischen Diktatur hat sich das Land in eine nationalistische Schmuddelbude verwandelt, in der Blut-und-Boden-Ideologien gedeihen, Pseudodemokraten die glorreiche Geschichte der Magyaren beschwören und militante Rassisten auf offener Straße mit Musketen und Molotowcocktails gegen eine angebliche "Überfremdung" kämpfen.

Was nach 1990 in giftigen Graffitisprüchen wie "Wählt keine Juden" erstmals zum Ausdruck kam, ist zwanzig Jahre später zur wahren Sturzflut geworden. Die Rechtsextremisten der Jobbik-Partei und ihre militanten Gefolgsleute aus der Neuen Ungarischen Garde hetzen ungeniert gegen Homosexuelle, Roma und Juden.

Sie überfallen Viertel, in denen Roma leben, und treten für die Wiederherstellung eines Großungarns ein, indem sie die Angliederung all jener Provinzen Rumäniens, der Slowakei, der Ukraine und Serbiens fordern, in der ungarische Minderheiten siedeln. Darum mobilisieren sie in den Nachbarländern Jugendliche, die der ungarischen Minderheit angehören, in paramilitärischen Camps, um sie auf den "Anschluss" ans Mutterland vorzubereiten.

Das vornehme Schweigen der nationalpopulistischen Fidesz-Partei hat den Aufstieg der rechtsextremen Hassprediger begünstigt. In ihrem missionarischen Eifer, die seit acht Jahren regierenden Sozialisten von der Regierungsbank zu verdrängen, setzten sie der völkischen Rhetorik der Jobbik-Partei nichts entgegen. Im Gegenteil: Der künftige Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei ergingen sich selbst in einem völkischen Populismus und gaben den Rechtsextremisten das Gefühl, heimliche Verbündete im Kampf gegen die postkommunistischen Sozialisten zu sein, die im Falle eines Falles sogar an den Regierungsgeschäften beteiligt würden.

Da die Fidesz nun die absolute Mehrheit erobern konnte, wird es dazu nicht kommen. Zum Glück. Doch das ist noch lange kein Grund zum Aufatmen.

Als in Österreich Jörg Haiders rechtspopulistische FPÖ an der Regierung beteiligt wurde, ging ein Aufschrei durch ganz Europa. Die ungarische Fidesz hat die Haiderianer in vielerlei Hinsicht längst rechts überholt. Europa aber hat vor dieser Entwicklung viel zu lange die Augen verschlossen. Es ist an der Zeit, die Scheuklappen abzulegen.

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4 Kommentare

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  • K
    Kritiker

    Sehr geehrter William Totok,

    sie haben die Demokratie nicht verstanden

    Mit freundlichen Grüßen

    Kritiker

  • AB
    ALexander Burhans

    irgendwelche obskuren politischen stroemungen haben anscheinend grade ein revival, strenge zeiten favorisieren einfache loesungen. wenn die linke auf einmal erdrutschartig waehlerstimmen gewinnen wuerde, wuerde da auch ein aufschrei ob dieser extremisten durchs volk gehen? extreme in aller form sind zu begruessen, da sie ein mittel gegen die dauernde annaeherung der etablierten parteien und die damit einhergehende verschlaffung des politischen klimas sind. und ein pendel schwingt normalerweise immer in beide richtungen aus, jetzt hat die linke nicht die leistung abgeliefert, die sie versprochen hat, also bekommt die rechte ihre chance. mit der gleichen moeglichkeit es zu versemmelm. nur haben einige leute es anscheinend nicht begriffen, das demokratische entscheidungen sache des betroffenen volkes sind, mit der moeglichkeit fehler zu machen. das sollte man, unabhaengig von seiner ideologie, respektieren.

    ein eingreifen waere erst noetig, sollte die regierung den boden der verfassung verlassen.

  • S
    Spin

    Es ist erschreckend, dass sich mit Nationalismus, Antiziganismus, Antisemitismus und Homophobie Wahlen gewinnen lassen. Etwa 70% der Walberechtigten wählten unterschiedlich rechte Angebote. Was mich außerdem noch sehr nervt, sind die deutschen Verniedlicher und Claquere, die sich auf die Position zurückziehen können zu sagen: Alles in Butter, ist doch Demokatie...

    Ähnlich klang’s zur Schweiz nach dem Minarett-Referendum.

    Das Problem mit der Kritik aus dem Ausland wurde jedoch schon 1999 bei der FPÖ-Wahl sichtbar: Sie stärkt den inneren Zusammenhalt und damit den Nationalismus. Stattdessen sollte es deutliche Solidaritäts-Angebote an die (potentiellen) Opfer rechter Politik geben. Und selbstverständlich politisches Asyl – dann würde sich auch zeigen, ob die Kritik nicht nur geheuchelt ist!

  • S
    sk-ap

    In welchem Zusammenhang stehen Titel und Text bei diesem Beitrag?