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Kommentar Rechte Straftaten in Sachsen-AnhaltAus der Statistik, aus dem Sinn

Daniel Schulz
Kommentar von Daniel Schulz

Geschönte Zahlen sind nur die jüngste Episode in einer langen Reihe von Merkwürdigkeiten, die sich bei Sicherheitsbehörden in Ostdeutschland gehäuft haben.

D ie Polizei soll in Sachsen-Anhalt rechtsextreme Straftaten aus der Statistik gelöscht haben. Was wie eine Verschwörungsgeschichte von Antifa-Gruppen klingt, ist Realität, wie der zuständige Innenminister einräumen musste. Doch die geschönte Polizeistatistik ist nur die vorläufig letzte Episode in einer langen Reihe von Merkwürdigkeiten, die sich bei Sicherheitsbehörden in Ostdeutschland häuften. Im Landtag von Magdeburg ermittelt bereits ein Untersuchungsausschuss wegen früherer Polizeipannen. Und in Sachsen und Thüringen tauchten vertrauliche Polizeidaten über Linke plötzlich auf Feindeslisten von Neonazis auf. Das zeigt: Die Diskussion darüber, was der Staat gegen Rechtsextreme tun kann, läuft falsch.

In Ostdeutschland gibt es viele Initiativen und Einzelpersonen, die sich gegen Rechtsextreme wehren. Die Polizei muss zeigen, dass der Staat im Zweifelfall auf ihrer Seite steht. Natürlich können die Beamten nicht dafür sorgen, dass es in einem Dorf keine Neonazis gibt. Wenn die beim Erntefest allerdings auf Menschen mit bunten Haaren oder anderer Hautfarbe losgehen, dann müssen Polizisten willens sein, dagegen einzuschreiten. Leider verbreitet die Polizei in manchen Gegenden Ostdeutschlands nicht dieses notwendige Sicherheitsgefühl. Ihr Handeln macht vielmehr misstrauisch, ob sie den Rechtsextremismus überhaupt als eine Gefahr wahrnimmt.

Die Debatte, was der Staat gegen Rechtsextremismus tun kann, müsste viel pragmatischer geführt werden. Bei welchen Themen sollten Beamte besser geschult werden? Wie gehen die Behörden mit eigenen Fehlern um? Werden Kollegen, denen der Kampf gegen Neonazis wichtig ist, unterstützt? Das sind zentrale Fragen.

Leider beschränkt sich staatliches Handeln gegen Rechtsextreme meist auf gut gemeinte, aber hilflose Vorschläge. Ein NPD-Verbot und antifaschistische Klauseln in Landesverfassungen sind Maßnahmen, deren symbolischer Wert groß, deren praktische Relevanz aber äußerst zweifelhaft ist. Damit suggeriert die Politik, etwas zu tun. Doch die wichtigen Probleme bleiben liegen. Oder werden verdrängt, wie das Beispiel in Sachsen-Anhalt zeigt.

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Daniel Schulz
Reportage und Recherche
Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.

3 Kommentare

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  • B
    beni

    @Michael: ob sich eine Gefahr oder Bedrohung gegen die Demokratie, also das politische System und den Staat wendet, oder ob sie sich wie beim Fremdenhass auch in erster Linie gegen einzelne, im Vergleich zum Staat schutzlose Menschen richtet ist ein bedeutender Unterschied.

    Hinter einem Hakenkreuz an einer Hauswand steht deutlich mehr als "nur" eine Gefahr für die Demokratie. Um eine Solche abzuwehren hat der Staat andere Mittel als das Strafrecht, der vom Fremdenhass betroffene hat diese nicht. Deshalb ist es angebracht, dass ihm der Staat die Strafdrohung zur Seite stellt.

    Gruß Beni

  • L
    Liza

    geehrter herr hajüma,

    sie können aufhören sich zu wundern, denn sie haben sich einfach geirrt: es gibt insgesamt statistiken über "politisch motivierte kriminalität", die untergliedert sind in straftaten mit links- bzw. rechtsextremem hintergrund, wobei letztere in den polizeistatistiken aller bundesländer stets den viel grösseren teil ausmachen. die gefahr einzelner und eines friedlichen zusammenlebens zeigt sich also sehr eindeutig durch straftaten von rechts bedroht, besonders auch, da die rechts motivierten gewalttaten sich wie allgemein bekannt und allerorten belegt nicht nur in auseinandersetzungen zwischen "rechts" und "links" austragen, sondern sich auch explizit gegen menschen richten, von denen keinerlei bedrohung oder gewalt ausgeht (ob diese "links" sind oder nicht).

    zum beispiel am ende ihres beitrags: ein hakenkreuz zu zeigen ist in welcher form auch immer mindestens ein delikt und relativ eindeutig ein rechtsextrem motiviertes, das hat mit dem "an einer hauswand" überhaupt nichts zu tun. den spruch "scheiss deutschland" zu äussern oder zu schreiben ist dagegen, wenn dabei keine sachbeschädigung vorliegt, eine blosse meinungsäusserung, ob sie einem gefällt oder nicht. wenn ihnen selbst kein grund einfallen sollte, warum das zeigen eines hakenkreuzes gegen die verfassung verstösst, was ich nicht so richtig glauben möchte, dann informieren sie sich doch mal über seine geschichte ab 1933 spätestens! ob sie in deutschland ihre heimat, das "land der dichter und denker", einen teil der eu, eine gesellschaft, einen "polizeistaat" sehen oder was auch immer, das heisst doch nicht, dass sie es nicht aushalten können, wenn jemand anderes deutschland "scheisse" findet, oder?

  • MH
    Michel Hajüma

    Es hat mich sowieso gewundert, das es eine Statistik über rechtsextreme Straftaten gibt und keine über linksextreme gibt. Diese gefährden unsere Demokratie in gleicher Weise und eine solche Statistik würden einmal deutlich machen wie groß die Bedrohung von dieser Seitre ist.

    Ein Hakenkreuz auf einer Hauswand ist eine rechtsextreme Straftat, der Spruch Scheiß Deutschland o.ä. bestenfalls nur eine Sachbeschädigung! Darüber sollten Sie auch einmal nachdenken.

    Michel Hajüma