piwik no script img

Kommentar Reaktionen auf FriedensnobelpreisJetzt ist Mut vor Peking gefragt

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Zeit der ehrlosen Selbstzensur von westlichen Politikern mit Rücksicht auf chinesische Milliardengeschäfte muss jetzt vorbei sein.

E ndlich wieder einmal ein richtig politischer Friedensnobelpreis, der an der richtigen Stelle wehtut, der die Mächtigen bloßstellt. Politiker aus aller Welt loben die Ehrung des chinesischen Bürgerrechtlers Liu Xiaobo, während Peking sich mit seiner beleidigten Reaktion lächerlich macht: Ein Chinese bekommt den Friedensnobelpreis - Chinas Regierung protestiert.

Und nun? Wird der inhaftierte Liu im Dezember nach Oslo reisen können, um den Preis entgegenzunehmen? Wird er, selbst wenn er nicht kommen darf, eine Preisrede verfassen können, die die Weltöffentlichkeit erreicht? Führt auf diese Weise der Friedensnobelpreis zu einer nachhaltigen Stärkung der chinesischen Demokratiebewegung?

All dies hat Liu nicht in der Hand, das Nobelpreiskomitee auch nicht. Es sind die Regierungen aus aller Welt, deren Verhalten in den nächsten Wochen darüber entscheiden wird. Die vielen Staatsmänner, die jetzt die Ehrung Lius würdigen und seinen Mut preisen, müssen jetzt auch mutig sein. Sie müssen Chinas Regierung unmissverständlich dazu auffordern, dass ab jetzt Rede- und Reisefreiheit für Liu, inklusive einer ungehinderten Wiedereinreise aus Oslo, die Vorbedingungen für jede weitere weltpolitische Zusammenarbeit darstellen. Die Zeit der ehrlosen Selbstzensur von westlichen Politikern mit Rücksicht auf chinesische Milliardengeschäfte muss jetzt vorbei sein.

Bild: taz

Dominic Johnson ist Auslandsredakteur der taz.

In einem Monat, genau zwischen Bekanntgabe und Vergabe des Friedensnobelpreises, tritt in Südkorea der nächste G-20-Gipfel zusammen, Frankreich wird den Vorsitz übernehmen. Wie wäre es, wenn Europa diesen Gipfel boykottierte, sollte Liu bis dahin nicht frei sein? Man darf ja wohl mal träumen. Oslo hat schon einen Teil des Traumes Wirklichkeit werden lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • W
    w.s.

    "...an der richtige Stelle wehtut", sagt der Verfasser.

     

    Er möge sich in die Lage des Nobelpreisträgers und seiner Frau versetzen, denn ihnen tut der Nobelpreis derzeit am meisten weh.

  • K
    Krampe

    Hier sind so viele Zyniker unterwegs, die wohl noch ein altbekanntes Kribbeln von damals verspüren, als sie in ihren Mao-Gruppen über Breschnew hergezogen sind. Und für die Jüngeren würde der Preis nur dem zukommen, der Ouri Jallow rächt. Peinlich, das.

     

    Nach Jahren der Nabelschau und wohlfeilem Wegstehlen durch Lobhudeln von Führern und Institutionen geht die Ehre endlich wieder an einen Aktivisten, der schon lange gegen das chinesische Regime für Dinge kämpft, die uns selbstverständlich und erstrebenswert erscheinen. Hier geht es endlich darum, China und seine Gesellschaft als etwas anderes wahrzunehmen als die immerwährende Leier von der ökonomischen Potenz.

  • A
    Amos

    Mit dem "Auf-den Tisch-hauen" wird wohl nichts werden.

    Die Deutschen bezahlen ja sogar noch Entwicklungshilfe an China, damit die von Germany viel kaufen. Wenn man den Binnenmarkt krepieren lässt, muss man sehen, dass man umso mehr exportiert. Geht das in die Hose, hat man ausgeschissen. (Alles hausgemacht).

  • VM
    Volker Müller

    Politiker aus aller Welt? Wohl doch nur aus West-/Mitteleuropa und Nordamerika.

     

    Diese Vergabe des Friedensnobelpreises ist einfach lächerlich, Hr. Liu hat nichts, aber auch gar nichts für den Frieden in der Welt getan.

     

    Die Vergabe des Friedensnobelpreises sieht sehr stark nach einem letzten ideologischen Rückzugsgefecht westlicher Staaten aus, die nicht nur wirtschaftlich an Boden verlieren, sondern deren letzter Stolz, Demokratie und Menschenrechte, immer mehr gegenüber den attraktiven Gesellschaften Asiens verblaßt.

     

    Wenn Hr. Liu den Friedennobelpreis verdient hat, dann habe ich den Nobelpreis für Physik verdient.

  • R
    ryba

    Keep cool!

    Menschenrechte in Pakistan, auf der Arabischen Halbinsel, in Ägypten,in den USA, im Irak und noch hier und dort...wir müssten uns alle selbst ununterbrochen sabotieren...Wann tritt eigentlich der Dalai Lama wieder auf den Plan - die Geheimwaffe der USA????

    Hier geht es nicht um Menschenrechte sondern die wachsende Wirtschaftsmacht China und die zunehmende Schwäche der USA und Europas.Da wird dann die Menschenrechts-Keule rausgeholt....um ganz andere Probleme zu lösen.