piwik no script img

Kommentar Räumung der Liebig 14Eskalation schadet auch Rot-Rot

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Bei der Räumung des Hausprojekts Liebig 14 wird es zur Konfrontation kommen. Der Senat hätte sie vermeiden können.

E ine gute Woche bleibt noch, dann wird dem linken Hausprojekt Liebig 14 in Friedrichshain wohl ein Ende bereitet. Die Polizei wird zur Räumung ein Großaufgebot auffahren, Autonome wollen mit "dezentralen Aktionen" im Stadtgebiet antworten. Es wird unschöne Szenen geben - und die Debatte über Aufwertung und Freiräume in der Stadt dürfte sich heftig zuspitzen. Eine Konfrontation, die dem Senat mehr schaden als nützen wird. Er hätte sie vermeiden können.

Im Bezirk wurde lange und ehrlich um eine einvernehmliche Lösung gerungen. Wieder und wieder setzten sich der grüne Bezirksbürgermeister und die Liebig-Bewohner an einen Tisch, deklinierten verschiedene Rettungswege durch - ohne Erfolg. Weil die Eigentümer an keinem Dialog interessiert waren. Aber auch weil der Senat auffällig untätig blieb. Kein Druck auf die Hausbesitzer, sich an den Gesprächen zu beteiligen. Keine ernsthafte Unterstützung für den Kauf der Liebig 14 durch eine Stiftung oder den Umzug in eine landeseigene Immobilie. Stattdessen ließ der Senat Bezirk und Bewohner hilflos strampeln.

Egal wie man zur Liebig 14 steht, wie emanzipatorisch das Hausprojekt wirklich war - es ist ein folgenreiches Desinteresse, das der Senat hier demonstriert. Denn es wird die Kluft zu denen, die bezahlbares Wohnen in dieser Stadt akut schwinden sehen, vergrößern. Und es offenbart die eigene Ideenlosigkeit, wie alternative Wohnräume in den aufstrebenden Innenstadtquartieren erhalten werden können.

Vor allem sendet die jetzige Eskalation eine wenig befriedende Botschaft an die letzten Alternativhäuser: dass sich Verhandeln und das Sichöffnen für Bezirk und Senat nicht lohnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!