Kommentar Räumung der Liebig 14: Zeiten ändern Träume
Vor der Räumung der Liebig 14 zeigen ehemalige Hausbesetzer wenig Verständnis für die Jungen.
W ütend sind die Proteste gegen die Räumung der Liebig 14, laut, etwas verzweifelt, aber vor allem eines: jung. Wer - nicht nur, aber auch in den vergangenen Tagen - auf Demonstrationen für den Erhalt des Hausprojekts vorbeischaute, fand sich unter Menschen, die die Altersverteilung der Gesellschaft so gar nicht abbildeten. Viele Jugendliche, eine Menge Menschen zwischen 20 und vielleicht noch Mitte 30, und danach galt: Je älter, desto seltener. Wo sind sie also, die Hausbesetzer der 80er Jahre, die Wegbereiter von Projekten wie der Liebig 14, die erfahrenen Älteren?
Nein, sie sind nicht schon mal vorgegangen, um Barrikaden zu bauen. Sie sitzen mit ihrer Familie am Frühstückstisch, sind mit Arbeitskollegen in der Raucherpause oder diskutieren beim monatlichen Hausplenum über eine neue Heizungsanlage. Mit den jetzigen Bewohnern der Liebig 14 haben viele wenig gemein.
Das ist nicht ungewöhnlich: Bewegungen lassen sich eben nicht auf kleiner Flamme warm halten. Sie kochen nur so lange, wie ihre Anhänger es wollen. Mit der Zeit, mit anderen Prioritäten ändert sich die Welt, und plötzlich ist der Kampf gegen die Räumung nicht mehr der eigene, sondern derer, die die eigenen Kindern sein könnten.
Natürlich ist es schade, wenn eine gute Idee Anhänger verliert. Doch genauso schade wäre es, wenn alle ihr Leben lang die gleichen Ziele und Ideen hätten, sich nicht verändern würden. Wichtig ist daher vor allem eines: dass es nicht aufhört, junge - oder alte - Menschen zu geben, die an ihre Vorstellung eines alternativen Lebensentwurfs glauben.
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