Kommentar Rad-WM: Minister Hilflos
Schäuble kürzt der Rad-WM das Geld, weil nicht alle Fahrer schriftlich ihre Drogenabstinenz versichern wollten. Eine unbeholfene Reaktion - besser man hätte die WM gleich abgesagt.
Andreas Rüttenauer ist Sport-Redakteur der taz.
Die Radweltmeisterschaft in Stuttgart läuft seit drei Tagen - kritisch beäugt vom deutschen Sportminister Wolfgang Schäuble. Der hat nun den Bundeszuschuss von 150.000 Euro für die Veranstaltung eingefroren, weil er nicht einsieht, dass ein Profi nicht unterschreiben will, was juristisch ohnehin kaum Wert hat. Ausgerechnet der Titelverteidiger Paolo Bettini zeigt sich renitent. Und der Herr Minister ist geschockt. Was eigentlich hatte er erwartet? Hat er geglaubt, die WM sei auch nur einen Hauch sauberer, wenn alle teilnehmenden Athleten mit einer Unterschrift versichern, dass sie mit Doping nichts am Hut haben?
Auch vor der Tour de France mussten alle Profis unterzeichnen, dass sie sauber sind. Damals haben alle mitgespielt und ihre Unterschrift geleistet. Geholfen hat es nichts. Es war wie so oft eine schmutzige Tour, die da durch Frankreich gerollt ist. Die Veranstalter der WM in Stuttgart blickten damals nervös über die Landesgrenzen. Sie organisierten ein Kontrollprogramm, das es noch nie bei Titelkämpfen gegeben hat, und sie führten immer wieder das Wort vom "Neuanfang" im Mund. Nur kurz war einmal von der Absage der WM die Rede. Durchringen konnte man sich dazu nicht. Der Radsport erhielt eine weitere Bewährungschance.
Verdient hat er sie nicht. Dabei hätte die Politik ein Zeichen setzen können. Die Stadt Stuttgart lässt sich die WM über zwei Millionen Euro kosten und kann nicht verhindern, dass eine Meute dopingsüchtiger Profis durch die von der Polizei abgesperrten Straßen der Stadt radelt. Nach den Dopinggeständnissen des Frühjahrs, seit als bewiesen gelten darf, dass im Radsport systematisch manipuliert wird, hätte die Weltmeisterschaft abgesagt werden müssen. Jetzt fahren die Radler von öffentlicher Hand subventioniert ihre Titelkämpfe aus. Soll sich der Weltverband doch eine Rennstrecke mieten, den Nürburgring etwa, und die Kosten dafür auf dem freien Markt erwirtschaften. Wenn aber die öffentliche Hand den Radsport unterstützt, macht sie sich zum Täter im Dopingsystem Radsport. Schäubles hilfloser Rückzug ändert daran gar nichts.
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