Kommentar RWE-Tarif: Atomstrom unter falschem Etikett
RWE bietet einen angeblich CO2-freien "ProKlima Strom"-Tarif an. Der Strom kommt zu fast 70 Prozent aus Atomkraftwerken - und wird dort eben nicht kohlendioxidfrei produziert.
Stephan Kosch ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.
Der Strom-Konzern RWE hat eine findige Marketing-Abteilung. Denn die Strategen bieten ab sofort einen angeblich CO2-freien "ProKlima Strom" an, der dazu noch in den kommenden drei Jahren garantiert nicht teurer wird. Allerdings hält die Offerte weder ökologisch noch ökonomisch, was sie verspricht.
"ProKlima" kommt zu fast 70 Prozent aus Atomkraftwerken - und dort wird der Strom eben nicht kohlendioxidfrei produziert. Rechnet man etwa die Förderung und den Transport des Brennstoffes Uran und die beim Bau der Reaktoren verbrauchte Energie mit ein, wie es das Öko-Institut mit gutem Grund getan hat, kommt man auf einen CO2-Ausstoß von 32 bis 126 Gramm pro Kilowattstunde - je nachdem, woher das Uran stammt. Eine Windkraftanlage stößt im Vergleich etwa 24 Gramm aus, ein Wasserkraftwerk 40 Gramm. Keine Form der Energieerzeugung ist also "klimaneutral". Bessere Möglichkeiten als Atomstrom gibt es aber allemal.
So billig, wie immer wieder behauptet, ist er außerdem keineswegs, schon gar nicht für die "ProKlima-Kunden". Zwar schafft die Preisgarantie für drei Jahre Planungssicherheit im Budget, das RWE selbst mit ständigen Preiserhöhungen in der Vergangenheit stark belastet hat. Mit 23,17 Cent pro Kilowattstunde ist der reine Verbrauchspreis aber bereits jetzt um bis zu vier Cent teurer als bei echtem Ökostrom.
Verbraucher und Klima haben also keinen Nutzen von diesem Etikettenschwindel, RWE dagegen durchaus: Denn ein solches Angebot am Tag nach den Castor-Protesten zu veröffentlichen, dürfte Absicht sein. Kann der Konzern demnächst eine lange Liste von Kunden präsentieren, die sich aus Klimaschutzgründen für Atomenergie entschieden haben, dann hätte er ein weiteres Argument für längere Laufzeiten - und die brächten ihm Milliardeneinnahmen. Doch weil Klimaschützer in der Regel auch sensibel für andere Umweltfragen sind, wie zum Beispiel die der ungelösten Lagerungsprobleme von radioaktivem Müll, sollte diese durchsichtige Strategie von RWE nicht aufgehen.
STEPHAN KOSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rassismus der CDU
Merz will Doppelstaatler ausbürgern
Dreikönigstreffen der FDP
Lindner schmeißt sich an die Union ran
Regierung in Österreich
Warnsignal für Deutschland
Neunzig Prozent E-Autos bei Neuwagen
Taugt Norwegen als Vorbild?
Religionsunterricht
Deutschlands heilige Kuh
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Eine Frage des Vertrauens