piwik no script img

Kommentar QimondaDas nächste Rettungspaket?

Michael Bartsch
Kommentar von Michael Bartsch

Richtig war es, Qimonda nicht um jeden Preis mit Steuergeldern zu retten, wenn schon der Mutterkonzern Infineon dafür zu feige war.

S chon am Donnerstag schrillten die Alarmglocken: Die Landtagsdebatte zum IT-Standort Sachsen wurde abgesetzt. Am Freitagvormittag überbrachte dann Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) dem Landtag die Hiobsbotschaft von der Qimonda-Insolvenz. Für eine kurze Aussprache unterbrach der Landtagspräsident da sogar die Tagesordnung.

Ein Tag der langen Gesichter in Dresden. Die vorläufige Pleite eines der beiden Hochglanzunternehmen des "Silicon Saxony" ist ein schwerer Schlag für das Image Sachsens und seiner Landeshauptstadt. Kurt Biedenkopfs in den 90er-Jahren mit Milliardensummen geförderte Leuchtturmpolitik erweist sich als eine fragwürdige Strategie. Ahnte man nichts von der Abhängigkeit der Speicher- und Prozessorproduktion von den sogenannten Schweinezyklen? Glaubte man wirklich an einen ewigen Autoboom?

Gerade diese beiden Hauptstandbeine wackeln nun heftig. Klein- und mittelständische Firmen erweisen sich dagegen als weniger krisenanfällig. Auch Dresdens Selbstverklärung als ostdeutsche Boomtown bekommt einen Dämpfer, nachdem das Image schon durch den Streit mit der UNESCO um die Waldschlösschenbrücke gelitten hat. Jede Schadenfreude verbietet sich aber allein schon wegen der 3.200 Arbeitsplätze im Dresdner Qimonda-Hauptwerk. Fraglich, ob diese hochqualifizierten Experten in Ausgründungen und in der Region eine Existenz finden werden. Es wäre auch schade um die neue Buried-Wordline-Technologie, mit der Qimonda im gnadenlosen weltweiten Sprint um Märkte wieder an die Spitze wollte.

Richtig war es, Qimonda nicht um jeden Preis mit Steuergeldern zu retten, wenn schon der Mutterkonzern Infineon dafür zu feige war. Mit einem Angebot von 150 Millionen Euro ging der Freistaat an seine Grenzen. Eine prinzipielle Frage bleibt, ob das kleine Sachsen überhaupt im internationalen Subventionswettlauf dieser Branche mitrennen sollte. Die EU als Ganzes müsste klären, wie wichtig ihr ein Chip-Standort Europa ist. Dann allerdings hätten die Giganten AMD oder Infineon gleiche Ansprüche auf Rettungspakete wie die Banken oder die Automobilindustrie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Bartsch
Inlandskorrespondent
Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!