Kommentar Publick Viewing: Der Plüsch des Präsidenten
Der Marktplatz ist keine Stube. Sondern ein Marktplatz. Und das heißt: Er gehört allen, vom Punk über die Vollfrommen bis zum Matjes-Präsidenten.
F reimarkt muss sein. Dixieland? Spitze. Matjes? Lecker! Heringe sind ein echter Höhepunkt im Bürgerschaftspräsidentengeschäftsjahr. Christliche Bet-Events? Frommen. Punk? Pfui! Politik? Weg damit!
Was Christian Weber unter Qualität versteht, lässt sich leicht an seiner Marktplatz-Qualitätsoffensive ablesen: Qualität ist, was die Umsätze der Gastronomen steigert. Und nicht zu laut ist. Und nicht dreckig.
Das passt zu Leuten, die ihr Wohnzimmer eine gute Stube nennen – und Markt und Domsheide dafür halten. Aber der Marktplatz ist keine Stube. Sondern ein Marktplatz. Und das heißt: Er gehört allen, vom Punk über die Vollfrommen bis zum Matjes-Präsidenten. Hier ist die Stadt ganz Stadt, Ort des Austauschs und der Konfrontation.
Weber mag’s lieber plüschig: Seit zwölf Jahren engagiert er sich für eine restriktive Genehmigungspraxis. Er hat eine Art Bannmeile für Bremens Parlament eingerichtet. Und sogar Fotos aus der Fensterfront des Tempels der Demokratie hinab auf DemonstrantInnen werden untersagt – mit Verweis aufs Präsidium. Es ist daher gut, dass sein Vorstoß nun zum Aus fürs Massenereignis Public Viewing führt. Denn damit wird für die Masse spürbar, dass sich eine geschmäcklerische Genehmigungspraxis gegen alle richtet: Weil sie vom Ansatz her zutiefst undemokratisch ist.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott