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Kommentar PrivatschuleKommt, denkt ein bisschen um!

Kommentar von Christian Füller

Linke lehnen Privatschulen ab - dabei sind sie bitternötig. Nur wenn Privatschulen künftig gleiche Förderbedingungen haben, bekommt die Staatsschule die nötige Konkurrenz.

E s gibt eine Theorie bei der Linken, die geht ungefähr so: Privatschulen sind ungerecht und teuer, sie richten den humanistischen Bildungsbegriff zugrunde und sie entmischen die gesellschaftlichen Schichten. Deswegen muss man Bezahlschulen behindern, nein, man muss sie sogar ablehnen, denn sie sind in Wahrheit des Teufels.

Alle diese Thesen enthalten viel Bedenkenswertes. Nicht umsonst finden sie zunehmend Anhänger. Selbst auf der weit gegenüberliegenden Seite, der staatstragenden Bildungskonservative, hört man sie wieder öfter. Das Problem ist freilich, dass eine solch negative Porträtierung der Privatschule in Deutschland kompletter Irrsinn ist. Denn keine Schule lässt sich so präziser beschreiben - als die Staatsschule. Sie tut all das, was die Linke nicht mag: Chancen nehmen, Menschen verarmen lassen, Potenziale verschütten.

Seit den 90er-Jahren hat die Zahl der Privatschüler um fast 50 Prozent zugenommen. Pisa hat mancherorts einen kleinen Boom an privaten Schulgründungen ausgelöst. Dennoch gilt es Folgendes zu konstatieren: Es gibt nicht etwa zu viele, es gibt noch viel zu wenige Privatschulen. Privaten Schulen werden Steine in den Weg gelegt, sie bekommen weniger Geld und sie müssen sich länger bewähren. Das ist ein Unding - aber es wird seltsamerweise noch beklatscht, dass die Landesregierungen den Privaten Knüppel zwischen die Beine werfen dürfen. Verkehrte Welt.

Der Aufschwung der privaten Schulen muss dringend gestützt werden. Diese Schulen brauchen die gleichen Förderbedingungen. Sie müssen ihre Lehrer endlich genauso gut bezahlen können wie die staatliche Seite. Warum das alles? Soll das staatliche durch ein privates Schulsystem ersetzt werden? Nein, das wäre nicht sinnvoll und das ist auch nicht zu befürchten. Nur hat das staatliche Bildungssystem den Stachel bitter nötig, um endlich in Bewegung zu kommen. Die Staatsschule braucht hierzulande den Ansporn echter privater Konkurrenten. Es darf nicht sein, dass die KMK, das Kartell der Kultusminister, seine Schulen sorgsam vor dem Wettbewerb behütet.

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6 Kommentare

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  • HK
    Henning Kullak-Ublick

    Vielen Dank fuer diesewn Artikel! Endlich mal ein Beitrag, der diesen Anachronismus aus Kaisers Zeiten (1794:"Die Schule ist eine Veranstaltung des Staates") einmal weiter denkt. Was damals naemlich die Emanzipation von der Vorherrschaft der Kirche im Bildungswesen bedeutete, ist durch die deutsche Geschichte schlicht stehen geblieben: Im 20. Jahrhundert konnten sich vier (oder fuenf - je nach Lesart) politische Systeme in Deutschland bei diesem Dogma bedienen.

     

    Erst, wenn Eltern den freien Zugang zu den schulen ihrer Wahl haben, gibt es die Chancengleichheit, die - insbesondere von der Linken - immer wieder allein beim Staat verortet wird. Es geht also nicht um eine Privatisierung, sondern um die Rueckerberung des Oeffentlichen durch die Zivilgesellschaft.

     

    Die Gleichung "nichtstaatlich=privat" ist einfach Bloedsinn. Die Alternative zu Beidem ist die Gemeinnuetzigigkeit, die es auch im Bildungswesen viel staerker zu entwickeln gilt. Die Niederlande machen es uns ja vor: 75% aller Schulen haben einen freien Traeger.

     

    Mehr zum Thema bei der Aktion muendige Schule: www.freie-schule.de

     

    Henning Kullak-Ublick

  • RK
    regina knüppel

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    Bravo !

     

    Endlich wird die Lebenswirklichkeit vieler Bürger wahrgenommen, wie sie ist.

    Gemeint ist die Lebenswirklichkeit der seit dreißig Jahren immer stärker werdenden Bürgerbewegung namens "Elterninitiative".

    Elterninitiative, die sich sogar traut Schulen zu gründen - und das erfolgreich!

     

    Eltern greifen hier die vom Staat gewollte Möglichkeit auf, Ersatz zur staatlichen Schule zu schaffen.

    Deshalb heißen diese Privatschulen auch Ersatzschulen.

    Sie entsprechen in ihrem Profil schon längst nicht mehr dem elitären Bild von Privatschulen.

    Diese Schulen stellen in ihrer Andersartigkeit eine not-wendige schulische Alternative dar und leisten einen wichtigen Beitrag in der bürgernahen Ausgestaltung unserer pluralistischen Gesellschaft.

    Natürlich repräsentieren sie erst einmal den Bildungswunsch der Initiatoren, schaffen aber durch die ihnen eigene Dynamik Identifikationsmöglichkeiten

    für viele. Gerade die Intensität der Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus ist es, die attraktiv wirkt und die dem Schulleben besonders im Bereich des sozialen Lernens

    enorme Vorteile verschafft (hinschauen-hinhören-einmischen), ganz zu schweigen von methodologischen und didaktischen Spielräumen, die an staatlichen Schulen auf grund institutioneller Schwächen über viele Jahre nicht geleistet wurden.

    Es stimmt, Ersatzschulen stellen eine gewollte Herausforderung für die staatlichen Schulen dar.

    Es bleibt nur zu hoffen, dass diese den Ball auffangen und in den Wettbewerb eintreten, sonst ist zu befürchten, dass Eltern

    weiterhin "mit den Füßen abstimmen".

  • TK
    Tom Knevels

    Sehr geehrter Herr Müller,

     

    Es geht doch darum den Eliten-Status von Privatschulen abzubauen.

    Mehr Geld für Schulen in freier Trägerschaft hiesse, dass auch Kindern, deren Eltern sich bisher keine "Privat-Bildung" leisten können, die Möglichkeit eröffnet würde in Schulen zu gehen, die neue Wege beschreiten.

    Der Riesentanker Staatsschule ist zu träge, wir brauchen Schnellboote! ...die hoffentlich einen Sog ausüben.

    Damit, den Staatsschulen mehr Geld zu geben, ist es nicht getan. Schule als Ganzes muss neu gedacht werden.

    Am Liebsten wäre mir, wenn es mehr staatliche Versuchsschulen gäbe und mehr Innovationen in den schulischen Alltag einkehren würden.

    Aber bis dahin ist es nicht einzusehen, dass Kinder von progressiven Eltern vom Staat weniger unterstützt werden. Die Ausgaben des Staates pro Kind sollten gleich sein, egal für welche Schule sich die Eltern entscheiden.

    Und Privatschulen sind ja nicht immer Nobelinternate, sondern manchmal auch freie, offene oder demokratische Schulen.

     

    Fröhliche Weihnachten! ;-)

    Tom Knevels

  • RA
    ralf arning

    Jetzt ist es soweit!!!

    Jetzt faselt auch die taz schon von Vorrang dem Wettbewerb. Das neoliberale Paradigma hat auch die taz eingeholt, vielleicht ja auch schon länger und ich habe es nicht gemerkt.

    Herr Heinrich Müller hat völlig Recht mit seinem Kommentar. Aber zudem: Ich möchte Herrn Christian Füller erleben, wenn er feststellt, dass die von ihm so gepriesenen privaten Schulen in der Tendenz sich alle selbstverständlich ausschließlich nach wirtschaftlichen Interessen und Gesichtspunkten bei dem "Verkauf" ihrer Dienstleistung richten. (Denn darum geht es um "Verkauf" von Bildung und nicht um Bildungsauftrag!) Ähnlich übrigens wie das private Fernsehen - dessen Qualität wir ja täglich schätzen können. Herr Füller ist wahrscheinlich auch ein Anhänger dieses Fernsehens, weil es ja Wettbewerb schafft. Bildungsauftrag ist da vermutlich nicht mehr so wichtig.

    Es ist mehr als traurig, wo der gebeutelte Bürger auch hinschaut, nichts als neoliberales Wettbewerbsgeseiher - und nun inzwischen auch schon von der taz.

    Better days!

     

    ralf arning

  • PP
    Peter Plaumann

    Irgendwie kommt einem das bekannt vor:

     

    Wasserversorgung - privatisieren!

    Eisenbahn - privatisieren!

    Post - privatisieren!

    Strafvollzug - privatisieren!

     

    Kostensparend, effizient, attraktiv fuer Investoren und von hoechster Qualitaet.

     

    Ich lebe zur Zeit in einem Land, in dem ein gar nicht so schlecht funktionierendes oeffentliches Schulsystem in dem letzten Jahren durch teure Privatschulen "ergaenzt" worden ist. Prestigioese Diplome, allerlei Projektchen und nette Schuluniformen sind wohl nicht der Zweck eines solchen Umbaus des Schulsystems. Ich sehe nben wirtschaftlichen Interessen einen Grund: Soziale Abgrenzung.

     

    Macht es, wenn ihr wollt, aber bedient euch bitte zur Begruendung einer Argumentation, die der Reklame fuer Kartoffelchips angemessen waere.

  • HM
    Heinrich Müller

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    Herrn Füllers Aussagen lassen mich ratlos zurück. Damit die staatlichen Schulen besser werden, brauchen wir mehr private Schulen? Anders ausgedrückt: Je weniger Schüler auf staatliche Schulen gehen, desto besser werden diese? Der Staat soll den Privatschulen Geld geben, damit die Lehrer der Kinder, deren Eltern genug Kohle für eine Privat-Bildung haben, besser bezahlt werden? Der Staat soll die Privatschulen besser ausstatten, damit er einsieht, dass er seine eigenen Schulen besser ausstatten muss? Warum nicht gleich die Staatschulen mit mehr guten Lehrern und mehr Mitteln versorgen? Privatschulen suchen sich ihre Schüler aus; der Staat muss sich um alle kümmern. Bildung ist ein Grundrecht und darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Es ist doch sonnenklar, wo das Geld hin gehört! Und zwar sofort und nicht über irgendwelche unsicheren und zeitraubenden Umwege.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Heinrich Müller