Kommentar Privatisierung: Die Bahn wird keine "Volksaktie"

SPD-Politiker wollen die Bahnanteile zur Volksaktie machen. Ihr Kalkül, Käufer zu locken, um Konzerne vom Einstieg abzuhalten, wird nicht aufgehen. Die Privatisierung kommt uns teuer.

Die Bahn soll zur "Volksaktie" werden, so wollen es Teile der SPD. Der Name weckt keine guten Erinnerungen. Die T-Aktie firmierte bekanntlich auch als Volksaktie und hat ihren Eigentümern vor allem Verluste beschert. Diese Kursstürze gehörten sogar zur Logik der Telekom-Privatisierung: Plötzlich sollte Wettbewerb unter den Telefonanbietern herrschen - was nichts anderes meinte, als dass die Telekom Marktanteile und Kunden verliert.

Die SPD-Erfinder der Volksaktie bei der Bahn versichern nun, dass ihre Aktie mit jener der Telekom nicht zu vergleichen sei. So soll es eine garantierte Mindestverzinsung von 5 Prozent geben. Das ist mehr, als manche Bundesanleihe bringt. "Mindestverzinsung" klingt natürlich gut, aber diese Gewinne müssen von der Bahn erst einmal erwirtschaftet werden. Im Notfall bieten sich verschiedene Lösungen an: höhere Preise, stillgelegte Strecken oder verschleppte Investitionen. Für die Kunden ist jede Variante unattraktiv. Auch die Volksaktie kann das Grundproblem einer Privatisierung nicht beheben: Bisher mussten die Kunden nur für den Betrieb der Bahn aufkommen - künftig sollen sie zudem die Renditewünsche von Investoren bedienen. Das wird automatisch teuer.

Die SPD-Linken wissen, dass ihre Volksaktie nur ein Hilfskonstrukt ist. Als findiger Trick soll sie mögliche Großinvestoren bei der Bahn abwehren, die noch höhere Renditen verlangen würden. Diese subversive Kreativität ist durchaus zu bewundern - doch verhindert sie die entscheidende Debatte, ob eine Privatisierung überhaupt sinnvoll ist. Ohne Not wird der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD für unantastbar erklärt.

Ja, es ist wahr, dort ist der Börsengang der Bahn vereinbart. Aber im Koalitionsvertrag ist auch nachzulesen, dass es eine große Gesundheitsreform geben soll. Davon haben sich die Regierungsparteien längst verabschiedet, weil absehbar war, dass die meisten Wähler dieses gigantische Reformprojekt nicht wollten. Auch bei der Bahn-Privatisierung ergibt jede Umfrage, dass die Mehrheit der Bürger dagegen ist. Die Regierung sollte auf ihr Volk hören. ULRIKE HERRMANN

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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