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Kommentar Präsidentenwahl in RumänienRumäniens Obama-Moment

Kommentar von William Totok

Klaus Johannis' Sieg ist eine Klatsche für die korrupte Elite. Die Wähler haben sich für einen anderen als den ungarischen Weg entschieden.

Diese Bürger haben nun bekommen, was sie wollten. Bild: dpa

R umänien hat einen deutschstämmigen Präsidenten: Klaus Johannis. Der Bürgermeister von Sibiu/Hermannstadt und Kandidat der Christlich-Liberalen Allianz (ACL) hat einen sensationellen Sieg errungen. Der Schock über das Ergebnis stand seinem sozialdemokratischen Rivalen Victor Ponta ins Gesicht geschrieben, als er kleinlaut, vor laufenden Kameras, seine Niederlage einräumen musste.

Die erste Wahlrunde vor zwei Wochen hatte Ponta noch mit einem Vorsprung von fast 10 Prozentpunkten gewonnen. Alle Umfragen sagten ihm in der Stichwahl ein ähnliches Ergebnis voraus. Die überraschende Kür eines Deutschstämmigen zum Staatsoberhaupt haben allerdings jene herbeigeführt, die vor zwei Wochen dem Urnengang ferngeblieben waren und mit deren Präsenz auch die Demoskopen nicht gerechnet hatten.

Die nationalistische Schmutzkampagne gegen Johannis, an der sich die Unterstützer Pontas - neureiche Raubtierkapitalisten, zwielichtige Oligarchen und deren Vasallen aus den korrupten Medien sowie die Ewiggestrigen des alten Machtapparats aus der Vorwendezeit - beteiligt hatten, erwies sich als ein Bumerang. Der Sieg von Johannis spiegelt im Grunde den Wunsch all jener wider, die auf eine radikale Kehrtwendung setzen und eine tatkräftige Umsetzung der Wahlversprechungen erwarten: Bekämpfung der Korruption und die Verwandlung Rumäniens in ein wirtschaftlich effizientes und modernes Land. All diese Hoffnungen bündelte Klaus Johannis.

Den Erfolg von Johannis vergleicht der bekannte Schriftsteller und Kommentator Ion Bogdan Lefter, gegenüber der taz, zu Recht mit dem Sieg von Barack Obama in den USA. Für Johannis beginnen jetzt die Mühen der Ebene. Ob er den Tücken eines korrupten Systems gewachsen ist, ob er tatsächlich ein „Rumänien der gut gemachten Arbeit” – wie sein Wahlslogan lautete – zurechtschneidern kann, wird sich in den nächsten fünf Jahren zeigen.

Der Sieg eines Angehörigen einer ethnischen Minderheit hat allerdings auch einen symbolischen Wert: Rumänien hat sich als weltoffener und toleranter erwiesen als sein in völkische Befangenheit abgedriftetes Nachbarland Ungarn und ist auf dem besten Wege, nationalistische Vorurteile und Stereotypen in die Mottenkiste der Geschichte zu verbannen.

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7 Kommentare

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  • Sehr interessant, das die taz von Johannis als einem „Deutschen“ schreibt. Da ich die taz meiner Erfahrung nach nicht des Nationalismus verdächtige, soll der Begriff vermutlich im Sinne der sogenannten ‘ethnischen’ Deutschen verwendet finden. Gerade im Hinblick auf die Ukraine, wo derzeit ein Kampf um die Deutungshoheit darüber stattfindet, wer ‘ethnischer Russe’ ist und wer nicht, finde ich diese Wortwahl sehr unreflektiert und hätte sie gerade von der taz nicht erwartet. Johannis ist Angehöriger der deutschsprachigen Minderheit Rumäniens – ein Siebenbürger Sachse. Ob er sich für ethnisch deutsch hält, oder ob er als zukünftiger Präsident Rumäniens sich möglicherweise lieber einfach als rumänischer Bürger sieht, kann er natürlich nur selbst beantworten. Aber mit Zuschreibungen von außen sollte man vorsichtig sein.

    • 4G
      4225 (Profil gelöscht)
      @Otto Schnelzer:

      Viel schlimmer ist, dass der Artikel von einem "Präsidenten" Johannis spricht. Möglicherweise fühlt er sich als Frau. Der Hinweis auf Ungarn ist i.ü.Unfug, da es dort keine ethnischen Minderheiten mehr gibt.

      • @4225 (Profil gelöscht):

        Schonmal was von Slowaken, Deutschen, Ruthenen und Kroaten in Ungarn gehört? Nein? Dann wirds aber Zeit anstatt Unsinn zu behaupten.

         

        Ganz abgesehen von den Roma, die, wenn sie sich zu einer eigenen Ethnie zugehörig sehen, auch eine sind. Eine anerkannte Minderheit in Ungarn (selbst in Zeiten Orbans und der rechtsextrem-revanchistischen Jobbik-Partei) sind sie auf alle Fälle.

        • 4G
          4225 (Profil gelöscht)
          @Halusky:

          Die Jobbik betrachtet die Roma wie sie als Ethnie (Magyaren und Zigeuner als zwei verschieden Ethnien) und zwar u.a. mit folgenden Merkmalen: Neigung zu bestimmten Straftaten, Kinderreichtum zwecks Sozialmissbrauch usw. Die Gegner dieser Sichtweise sagen, dass es sich dabei nicht um eine kulturelle Eigenart bestimmter Leute mit dunklerer Hautfarbe handelt, sondern lediglich um Folgen der Armut in bestimmten Regionen Ungarns. Was die Slowaken, Deutschen, Ruthenen angeht: die sind in Ungarn längst assimiliert. Die Siebenbürger haben sich nach dem 1. WK ja gerade wegen des ungarischen Assimilationsdruckes für Rumänien entschieden. Dort hat nicht die Assimilation zum Verschwinden geführt, sondern der Exodus in die Bundesrepublik.

          • @4225 (Profil gelöscht):

            Was heißt "assimiliert?" Ungarisch zu sprechen, Czardas zu tanzen oder Szegediner Gulasch kochen zu können?

            Es ist und bleibt Unsinn zu behaupten, dass es in Ungarn "keine Mindeheiten gäbe".

      • @4225 (Profil gelöscht):

        Schon mal was von Roma gehört?

        • 4G
          4225 (Profil gelöscht)
          @Spitzbube:

          Die "Roma" sind mangels gemeinsamer Sprache etc. schon lange keine Ethnie mehr, wenn sie es je waren. Wenn in Ungarn manchmal versucht wird, extra Schulen für die "Roma" zu gründen, dann nicht deshalb, weil sie in ihrer eigenen Sprache unterrichtet werden müssten, sondern weil es sich um Kinder handelt, die aus armen Verhältnissen kommen und mit ihrem Aufholbedarf die anderen Kinder "stören" würden. Das macht aber noch keine "Ethnie"