Kommentar Präsidentenwahl in Rumänien: Rumäniens Obama-Moment
Klaus Johannis' Sieg ist eine Klatsche für die korrupte Elite. Die Wähler haben sich für einen anderen als den ungarischen Weg entschieden.
R umänien hat einen deutschstämmigen Präsidenten: Klaus Johannis. Der Bürgermeister von Sibiu/Hermannstadt und Kandidat der Christlich-Liberalen Allianz (ACL) hat einen sensationellen Sieg errungen. Der Schock über das Ergebnis stand seinem sozialdemokratischen Rivalen Victor Ponta ins Gesicht geschrieben, als er kleinlaut, vor laufenden Kameras, seine Niederlage einräumen musste.
Die erste Wahlrunde vor zwei Wochen hatte Ponta noch mit einem Vorsprung von fast 10 Prozentpunkten gewonnen. Alle Umfragen sagten ihm in der Stichwahl ein ähnliches Ergebnis voraus. Die überraschende Kür eines Deutschstämmigen zum Staatsoberhaupt haben allerdings jene herbeigeführt, die vor zwei Wochen dem Urnengang ferngeblieben waren und mit deren Präsenz auch die Demoskopen nicht gerechnet hatten.
Die nationalistische Schmutzkampagne gegen Johannis, an der sich die Unterstützer Pontas - neureiche Raubtierkapitalisten, zwielichtige Oligarchen und deren Vasallen aus den korrupten Medien sowie die Ewiggestrigen des alten Machtapparats aus der Vorwendezeit - beteiligt hatten, erwies sich als ein Bumerang. Der Sieg von Johannis spiegelt im Grunde den Wunsch all jener wider, die auf eine radikale Kehrtwendung setzen und eine tatkräftige Umsetzung der Wahlversprechungen erwarten: Bekämpfung der Korruption und die Verwandlung Rumäniens in ein wirtschaftlich effizientes und modernes Land. All diese Hoffnungen bündelte Klaus Johannis.
Den Erfolg von Johannis vergleicht der bekannte Schriftsteller und Kommentator Ion Bogdan Lefter, gegenüber der taz, zu Recht mit dem Sieg von Barack Obama in den USA. Für Johannis beginnen jetzt die Mühen der Ebene. Ob er den Tücken eines korrupten Systems gewachsen ist, ob er tatsächlich ein „Rumänien der gut gemachten Arbeit” – wie sein Wahlslogan lautete – zurechtschneidern kann, wird sich in den nächsten fünf Jahren zeigen.
Der Sieg eines Angehörigen einer ethnischen Minderheit hat allerdings auch einen symbolischen Wert: Rumänien hat sich als weltoffener und toleranter erwiesen als sein in völkische Befangenheit abgedriftetes Nachbarland Ungarn und ist auf dem besten Wege, nationalistische Vorurteile und Stereotypen in die Mottenkiste der Geschichte zu verbannen.
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