Kommentar Polnisches Präsidentenflugzeug: Auf Kollisionskurs
Der russische Untersuchungsbericht und die polnischen Reaktionen zeigen die alte Grundhaltung, bloß keine eigenen Fehler zuzugeben. Das kann zur nächsten Katastrophe führen.
R ichtig ist, dass vor allem die polnischen Piloten, die am 10. April 2010 im westrussischen Smolensk landen wollten, den Absturz der Unglücksmaschine verschuldet haben: Hätte Polens Luftwaffenchef keinen Druck auf sie ausgeübt, wären sie wohl kaum zu diesem halsbrecherischen Wagnis bereit gewesen.
Aber auch die russischen Fluglotsen, die bei dichtem Nebel ohne ausreichend präzise Instrumente arbeiteten, trugen ihren Teil zur Katastrophe bei. Das zeigt sich, wenn man die beiden Berichte der russischen und der polnischen Untersuchungskommissionen nebeneinander legt. Doch das hält manche Politiker nicht davon ab, immer wieder Zwietracht zu säen.
Kurz vor und kurz nach dem Unglück sah alles danach aus, als würden sich Polen und Russen nach Jahrzehnten der Feindschaft endlich versöhnen können. Damals hatte Russlands Premier Wladimir Putin seinen polnischen Amtskollegen Donald Tusk zur gemeinsamen Gedenkfeier nach Katyn eingeladen, wo einst über 20.000 polnischen Offiziere vom sowjetischen Geheimdienst ermordet wurden.
GABRIELE LESSER ist Korrespondentin der taz und berichtet aus Warschau.
Doch als Polens damaliger Präsident Lech Kaczynski nur drei Tage später ebenfalls nach Katyn aufbrach, stand die Abrechnung mit den politischen Gegnern auf seiner Agenda. So nahm das Unglück seinen Lauf.
Die Piloten der polnischen Maschine mussten fürchten, dass Kaczynski ihnen den Prozess machen würde, wenn sie ihn nicht pünktlich nach Katyn brächten. Die russischen Fluglotsen wiederum fürchteten einen internationalen Skandal, hätten sie Polens Präsident die Landung verweigert, nachdem sich Tusk und Putin dort in einer historischen Versöhnungsgeste die Hände gereicht hatten.
Nun spricht sowohl aus dem russischen Untersuchungsbericht wie aus den bisherigen polnischen offiziellen Reaktionen darauf die alte Grundhaltung, bloß keine eigenen Fehler zuzugeben. Das kann in letzter Konsequenz nur zu einem führen: zur nächsten Katastrophe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid