Kommentar Polizei in der U-Bahn: Warum erst jetzt, warum nicht früher?
Klaus Wowereit schickt mehr Polizei in die U-Bahn. Der Verdacht liegt nah, dass er nicht nur die Fahrgäste, sondern vor allem die bevorstehende Wahl absichern will.
V iele Tendenzen sind ganz anders als das subjektive Empfinden der Menschen", sagte der Innensenator Ehrhart Körting von der SPD noch Mitte April zur viel beschriebenen Angst vieler Bürger, in einem U-Bahnhof zusammengeschlagen zu werden. Die Statistik zeige doch, dass die Zahlen rückläufig sind. Das war mehr als zwei Monate nach der ersten fast tödlich verlaufenen Attacke im U-Bahnhof Lichtenberg. Wenn der Senat nun, weitere vier Wochen später, endlich merkt, dass diese Zahlen nicht helfen, wenn man sich bedroht fühlt, dann kommt diese Einsicht sehr spät.
Der Verdacht liegt nahe, dass Wowereit und Genossen nicht wirklich innerlich umgeschwenkt sind, sondern bei ihrem Sicherheitspaket eher den näher rückenden Wahltermin am 18. September im Kopf haben.
Zwar dümpelt die CDU derzeit in Umfragen weit abgeschlagen um die 20 Prozent herum, sie aber hat das Thema Sicherheit und Ordnung zu ihrem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Sie allein würde punkten, wenn sich die traurige Serie brutaler Attacken fortsetzte.
Vorerst ist das neue Sicherheitskonzept in vielen Punkten nur Papier. Erst im Alltag wird sich zeigen, ob wirklich zügig mehr Uniformierte zu sehen sind und ob das wirklich ausreicht.
Dass es nun überhaupt eine Reaktion gegeben hat, ist immerhin besser als nichts. Sie beschert zudem dem seit Jahren unter Personalnot leidenden und Ende Mai ausscheidenden Polizeipräsidenten Dieter Glietsch einen letzten Erfolg. "Man soll dann gehen, wenn es am schönsten ist", reagierte der, "das hat man mir jetzt ermöglicht."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball