piwik no script img

Kommentar PiratenjagdEin Schlag ins Wasser?

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Handelsschiffe vor Seeräubern zu schützen, kann nicht falsch sein. Doch die Gefahr ist groß, dass der Einsatz nicht gelingen wird. Unumgänglich ist, dass Somalia eine Alternative bekommt.

Bild: taz

Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur im Auslandsressort der taz.

Mit einem robusten Mandat will sich Deutschland am EU-Einsatz zur Bekämpfung der Piraterie vor den Küsten Somalias beteiligen. Es schließt den Einsatz von "Gewalt zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen" ein. Diese überraschend deutliche Aussage findet sich im Antrag der Bundesregierung für das Piratenmandat der Bundeswehr - nachdem bisher darüber gestritten wurde, ob Soldaten überhaupt Piraten verhaften dürfen. Deutschland verhält sich wie ein ängstlicher Schwimmer, der zum ersten Mal vom Fünfmeterbrett springen soll - und nach langem Zögern auf zehn Meter steigt, um seine Angst zu überwinden.

Handelsschiffe mit militärischen Mitteln vor Seeräubern zu schützen ist nicht falsch: Reiche Länder, die die Meere der Welt beanspruchen, dürfen ruhig selbst für die Sicherheit ihrer Handelsrouten sorgen. Das Risiko, dass aus der Piratenjagd ein Schlag ins Wasser wird, ist dennoch groß. Man kann eine Million Quadratkilometer Meer nicht mit einer Handvoll Kriegsschiffen überwachen. Würde die EU ihre Mission wirklich ernst meinen, müsste sie gigantische Kriegsflotten in Bewegung setzen. Die gibt es im Indischen Ozean und im Persischen Golf - aber sie bleiben ungenutzt.

Wer die Piraterie wirksam bekämpfen will, muss Somalia zudem eine Alternative aufzeigen. Das Land hat seit nunmehr fast achtzehn Jahren keinen Staat mehr - die Seeräuberei ist nur eines von vielen neuen Phänomenen gesellschaftlicher Selbstorganisation. Sie ist aus somalischer Sicht auch kein großes Problem, im Gegenteil: Sie ist die einträglichste Devisenquelle, die das bitterarme somalische Volk seit Jahrzehnten gesehen hat.

Somalia versinkt im Bürgerkrieg, die große Mehrheit der Bevölkerung sieht sich aller Lebensgrundlagen beraubt. Handelsschiffe zu schützen statt die Bevölkerung - das sind schon seltsame Prioritäten, die Deutschland und die EU da in Somalia setzen. Wer diesem Einsatz nächste Woche im Bundestag zustimmt, sollte sich bewusst sein: Diese Mission kann nur dann Erfolg haben, wenn sie als erste Stufe zu einer weit aktiveren Rolle der Weltgemeinschaft beim Aufbau eines friedlichen Somalia begriffen wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • AH
    Aus Hachinf

    Völlig richtig. Somalia hat fast 3.000 Km Küsten, eine Rund-Um-Überwachung wird nicht möglich sein.

     

    Die Bekämpfung der Piraterie muss daher an Land ansetzen. Wenn einerseits den Somalieren andere Lebensperspektiven als die Piraterie offen stehen und andererseits das Risiko, als Pirat einem Kriegsschiff zu begegnen, zu groß ist, dann wird das Problem verschwinden.

  • C
    Cornelius

    Korrekte Analyse! Genau so läuft der Hase. "In fast jedem Land der Erde gibt es einen dringlichen Bedarf nach einer erfolgreicheren Politik."