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Kommentar PflegeversicherungWer will schon ungepflegt altern?

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Es ist eigenartig mit der Pflege: Das Thema ist düster, unsexy, am liebsten redet man nicht darüber - doch sobald man selbst betroffen ist, gibt es kaum noch etwas Wichtigeres.

W er sich von heute auf morgen um die Betreuung seiner Mutter kümmern muss, die sich vielleicht nicht mehr orientieren und nicht mehr allein essen kann, der taucht ein in den Pflegekosmos aus Sozialstationen, Heimen und den Agenturen für polnische Pflegehilfen. Der ist froh, wenn ein Pfleger ein paar Minuten mehr Zeit hat und Wohlwollen und Respekt zeigt gegenüber dem Neuankömmling. Diese Angehörigen sind sofort bereit, ein Prozent mehr ihres Einkommens in eine Pflegeversicherung einzuzahlen. Hauptsache, man kann dafür ein bisschen mehr Menschlichkeit kaufen.

Genau das ist der Punkt: Wie teuer darf ein Solidarsystem sein, das nicht nur die Betreuung, sondern auch die Menschenwürde gleich mitversichern soll? Die Antwort lautet: ziemlich teuer. Und es muss offen darüber diskutiert werden, wie man die hohen Belastungen verteilt. Und zwar jetzt.

Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Pflege kein Randbereich mehr ist, sondern mit dem Älterwerden der Gesellschaft in deren Mitte rückt. Es wird nicht mehr funktionieren, diese Aufgaben un- oder schlecht bezahlt vor allem an Frauen zu delegieren: Frauen vor der Berufswahl überlegen sich heute zweimal, ob sie in die unterbezahlten Care-Berufe einsteigen, in denen sie garantiert keine Rente mit 67 erreichen.Töchter und Schwiegertöchter von Pflegebedürftigen haben wiederum wegen eigener Berufstätigkeit keine Zeit für die Betreuung. Eine Gesellschaft, die sich entschieden hat, viele Dienstleistungen am Menschen in den bezahlten Bereich zu verlagern, kann nicht mehr einfach zurück.

Bild: taz
Barbara Dribbusch

Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Soziales im taz-Inlandsressort.

Das aber heißt: Natürlich können die Beiträge erhöht werden für die Pflegeversicherung, mittelfristig auch um bis zu 3 Prozent - aber diese Erhöhung sollte weiterhin einkommensabhängig erfolgen und paritätisch mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen - Lohnnebenkosten hin oder her. Das Pflegerisiko ist kein Problem irgendeiner Unterschicht. Auch die Besserverdienenden brauchen die Leistungen aus der Pflegeversicherung. Sie sollten den Wert eines Solidarsystems anerkennen, möglichst bevor sie ihren ersten Schlaganfall erleiden.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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