Stefan Reinecke über Petrys Rückzugsmanöver
: Nicht zu früh freuen

Die AfD befindet sich seit Längerem im Krisenmodus. Sie ist innerlich zerstritten, ihr Führungspersonal ist nach bürgerlichen Maßstäben teils schlicht unseriös. Und sie ist unfähig, sich vom Rechtsextremismus abzugrenzen. Als sich die Sporthallen hierzulande mit Flüchtlingen füllten, schien ihr Aufstieg gleichwohl unabwendbar.

Doch das ist vorbei. Auch wegen Donald Trump und Martin Schulz ist der Erfolg der AfD kein Selbstläufer mehr. Es ist naheliegend, Frauke ­Petrys Verzicht auf eine Spitzenkandidatur nun für das Schwungrad zu halten, das diesen Abstieg erst richtig in Fahrt bringt. Petry ist ja das bekannteste Gesicht der Rechtspopulisten, eine Schnelldenkerin, die habituell Modernität und Bürgerlichkeit verkörpert, fern von Höckes dampfender Bierzelt­rhetorik. Ist das also der Anfang vom Ende der AfD?

Es ist etwas komplizierter. Dieser Rückzug bedeutet nicht, dass die AfD alle Verbindungen zum Bürgerlichen kappt. Petry ist eher eine politische Hasadeurin, die sich auf das Jonglieren mit Images versteht. Die Selbst­inszenierung als Realpolitikerin, die gegen Fundi-Betonköpfe im eigenen Lager kämpft, ist eine Mogelei. Denn in Petrys Realpolitikvorstellungen zieht die AfD im Herbst in den Bundestag ein und stellt 2021 den Kanzler, oder: die Kanzlerin. Das ist Polithalluzination, die an Irrwitz grenzt.

Die Rechtspopulisten verlieren ihre am besten für Talkshows geeignete Figur. Genauer: Sie tritt in die zweite Reihe zurück – erst mal. Es ist ein Rückzug, kein Abschied. Auf der Habenseite steht für die AfD, dass ein zermürbender Machtkampf abgewendet scheint. Falls das neue Spitzenduo aus Alice Weidel und Alexander Gauland bestehen sollte, könnte das durchaus effektiv sein – eine neoliberale Lesbe und ein grantelnder Reaktionär.

Für die AfD ist Petrys Rückzieher insofern nicht unbedingt eine schlechte Nachricht. Ihr Grundproblem, Egozentriker an der Spitze, eine offene Flanke zum Rechtsradikalismus, bleibt.

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