Kommentar Peer Steinbrück: Jeden Tag eine kleine Schweinerei
Peer Steinbrück läuft Gefahr, sich lächerlich zu machen. Das Problem des Kanzlerkandidaten bleibt seine Instinktlosigkeit in Gerechtigkeitsfragen.
I mmer noch die gute alte Bahncard. Peer Steinbrück, designierter Kanzlerkandidat der SPD, hat für Vortragsreisen seine Abgeordneten-Bahncard 1. Klasse benutzt. Das ist, mit Verlaub, keine große Sache. Peer Steinbrück wird nicht der erste bundesdeutsche Parlamentarier sein, der die Vorzüge der Beinfreiheit und des Am-Platz-Service der Bahn AG auch dann nutzt, wenn er gerade nicht in dringender bundespolitischer Angelegenheit unterwegs ist. Politiker ist man jeden Tag.
Das Problem ist ein anderes. Jeden Tag wird eine neue kleine Schweinerei Steinbrücks öffentlich; jeden Tag schüttelt der brave Bürger den Kopf über Vortragshonorare und Extrakomfort, über 25.000-Euro-Honorare und zurückgehaltene Buchverträge. Eine privat genutzte Bahncard scheint da fast lächerlich.
Aber sich lächerlich zu machen ist in Steinbrücks Position noch gefährlicher, als gierig zu sein. Sieben Wochen nach seiner Nominierung ist der SPD-Mann dermaßen angeschossen, dass sich selbst solch eine Bagatelle zäh in der Berichterstattung hält.
geboren 1965, ist Parlamentskorrespondentin der taz mit Schwerpunkt SPD.
Das Problem des Kandidaten ist und bleibt seine Instinktlosigkeit in Gerechtigkeitsfragen. In einem Land, in dem eine Altenpflegerin fristlos gekündigt wird, weil sie ein paar übrig gebliebenen Maultaschen mit nach Hause genommen hat, stimmt etwas nicht, wenn der Kandidat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands jene als „Neider“ schmäht, die fragen, wie er neben seinem Mandat derart viel Geld verdienen konnte.
Die SPD-Führung, die gegen Schwarz-Gelb einen „Gerechtigkeits-Wahlkampf“ führen will, hat sich für diesen Kandidaten entschieden. Den Genossen bleiben noch drei Wochen Zeit bis zum Nominierungsparteitag. Hannover muss – politisch und personell – ein Signal zum Aufbruch sein. Was immer die Sozialdemokraten dann darunter verstehen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen