Kommentar Peer Steinbrück: Jeden Tag eine kleine Schweinerei
Peer Steinbrück läuft Gefahr, sich lächerlich zu machen. Das Problem des Kanzlerkandidaten bleibt seine Instinktlosigkeit in Gerechtigkeitsfragen.
I mmer noch die gute alte Bahncard. Peer Steinbrück, designierter Kanzlerkandidat der SPD, hat für Vortragsreisen seine Abgeordneten-Bahncard 1. Klasse benutzt. Das ist, mit Verlaub, keine große Sache. Peer Steinbrück wird nicht der erste bundesdeutsche Parlamentarier sein, der die Vorzüge der Beinfreiheit und des Am-Platz-Service der Bahn AG auch dann nutzt, wenn er gerade nicht in dringender bundespolitischer Angelegenheit unterwegs ist. Politiker ist man jeden Tag.
Das Problem ist ein anderes. Jeden Tag wird eine neue kleine Schweinerei Steinbrücks öffentlich; jeden Tag schüttelt der brave Bürger den Kopf über Vortragshonorare und Extrakomfort, über 25.000-Euro-Honorare und zurückgehaltene Buchverträge. Eine privat genutzte Bahncard scheint da fast lächerlich.
Aber sich lächerlich zu machen ist in Steinbrücks Position noch gefährlicher, als gierig zu sein. Sieben Wochen nach seiner Nominierung ist der SPD-Mann dermaßen angeschossen, dass sich selbst solch eine Bagatelle zäh in der Berichterstattung hält.
Das Problem des Kandidaten ist und bleibt seine Instinktlosigkeit in Gerechtigkeitsfragen. In einem Land, in dem eine Altenpflegerin fristlos gekündigt wird, weil sie ein paar übrig gebliebenen Maultaschen mit nach Hause genommen hat, stimmt etwas nicht, wenn der Kandidat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands jene als „Neider“ schmäht, die fragen, wie er neben seinem Mandat derart viel Geld verdienen konnte.
Die SPD-Führung, die gegen Schwarz-Gelb einen „Gerechtigkeits-Wahlkampf“ führen will, hat sich für diesen Kandidaten entschieden. Den Genossen bleiben noch drei Wochen Zeit bis zum Nominierungsparteitag. Hannover muss – politisch und personell – ein Signal zum Aufbruch sein. Was immer die Sozialdemokraten dann darunter verstehen werden.
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