Kommentar Patriotismus der Sachsen-CDU: Grotesker Selbstrettungsversuch
Die Sachsen-CDU beschwört die Vaterlandsliebe. Dabei nimmt die Art, wie sie die deutsche Leitkultur positiv beschreibt, bizarre Züge an.
N ach Meinung des sächsischen Landtagspräsidenten und ehemaligen „Patriotismusbeauftragten“ der Sachsen-Union, Matthias Rößler, sollte Patriotismus eine Selbstverständlichkeit sein. Dabei müsste die CDU eigentlich dankbar dafür sein, dass Deutschland aufgrund seiner Geschichte mehr als andere mit bedingungsloser Vaterlandsliebe ringt. So lässt sich nämlich im Krisenfall der Patriotismus-Joker ziehen, das vaterländische Über-Ich als die alles heilende weiße Salbe propagieren.
Die Dresdner Regionalkonferenz zum Thema Patriotismus demonstrierte, dass es der Union dabei weniger ums unruhige Vaterland als um die eigene Partei geht. Die Parallelen zum ersten sächsischen Patriotismus-Papier 2005 sind augenfällig. Auch damals geriet die CDU mit dem Einbruch zur Landtagswahl 2004 in die Defensive, sah sich im Landtag plötzlich der NPD-Konkurrenz gegenüber. Das Potenzial der Halt- und Orientierungslosen, die sich an nationale Mythen klammern, ist seither deutlich gewachsen. Als Wähler sind sie für die Union immer schwerer erreichbar.
Also wird aus der sächsischen Schublade wieder ein Angebot gezogen, ein sauberer, von jedem Missbrauchsverdacht freier Patriotismus konstruiert. Wie die AfD oder die noch weiter rechts außen stehende Konkurrenz will jetzt auch die Union suggerieren, dass sich so Risse in der Gesellschaft kitten und größtenteils global verursachte Probleme lösen ließen. So ein Versprechen entbindet von der Verpflichtung, soziale Kontraste, Abstiegs- und Zukunftsängste bei ihren Wurzeln zu packen.
Wie wenig die Union dabei in der Lage ist, die beschworene deutsche Leitkultur positiv zu beschreiben, nimmt groteske Züge an. Ein einziger Hinweis auf die erodierende Theater- und Orchesterlandschaft oder auf den Siegeszug einer populären Welteinheitskultur fegt solche Versuche hinweg. Wirtschaftswunder, Fußball und Folklore-Fakes konstituieren noch kein deutsches Nationalbewusstsein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“