Kommentar Patientenverfügungen: Selbstbestimmt sterben
Das neue Gesetz verdient Lob. Es erkennt nicht nur die in der Verfassung garantierte Selbstbestimmtheit des Individuums an, sondern stärkt sie auch ausdrücklich.
J eder Mensch entscheidet am Ende selbst, wie er stirbt. Auch dann, wenn er diese Entscheidung seinem Arzt nicht mehr bei vollem Bewusstsein mitteilen kann. Dies ist das Ziel von Patientenverfügungen, und der Bundestag hat gut daran getan, diese Willenserklärungen endlich gesetzlich festzuschreiben.
Denn damit hilft er bei Entscheidungen über Leben und Tod vielen aus einem Dilemma. Den Ärzten, die in einer juristischen Grauzone agieren, den Angehörigen, die oft über den Wunsch des Kranken mutmaßen müssen, und vor allem den Patienten selbst, die künftig davon ausgehen können, dass ihrem Willen Folge geleistet wird.
Allein deshalb verdient das neue Gesetz Lob. Es erkennt die in der Verfassung garantierte Selbstbestimmtheit des Individuums nicht nur an, sondern stärkt sie ausdrücklich. Schließlich kann jeder Mensch frei bestimmen, welche medizinische Behandlung er bei welcher Erkrankung akzeptiert und welche nicht. Durch die Novelle gilt dieses Recht künftig auch dann verbindlicher, wenn ein Patient nur noch durch Maschinen am Leben erhalten wird, etwa mit Gehirnschäden im Koma liegt.
Im Detail weist jedoch auch der jetzt beschlossene Gesetzentwurf Mängel auf. Wer eine Patientenverfügung schreiben möchte, muss diese konkret formulieren - und sollte über Krankheiten und Heilungschancen Bescheid wissen. Die Abgeordneten trauen den Menschen diese Kompetenz zu. Dafür gibt es sicher gute Gründe.
Bevor man über das Sterben schreibt, wird man sich mit vielen beraten, und wer unsicher ist, wird im Zweifel keine Verfügung verfassen. Doch Praktiker bestätigen, dass viele Patientenverfügungen zu vage formuliert sind, um wirksam zu werden, etwa weil ältere Menschen Formalien nicht einhalten. Dieses Problem ignoriert das neue Gesetz - eine Beratung durch den Arzt wäre hier hilfreich.
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