Kommentar Parlamentswahl in Schweden: Die Feigheit der Sozialdemokraten
Die schwedische Sozialdemokratie hat es nicht vermocht, eine Kurskorrektur des neoliberalen Irrtums anzubieten. Das Ergebnis: Das "Volksheim" wird von Rassisten besetzt.
S chweden war lange eine Ausnahme in Europa. Und es war bis Sonntag das letzte skandinavische Land ohne eine rechtspopulistische Partei im Parlament. Ein funktionierender Sozialstaat, der soziale Sicherheit auch bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und im Alter garantierte, genauso wie starke Gewerkschaften - das waren lange Zeit Garanten dafür, dass ausländerfeindliche Gruppen mit ihrer Angstbotschaft von vermeintlicher Überfremdung nicht landen konnten.
Es ist kein Zufall, dass sich das nun zeitgleich mit einer historischen Niederlage für die Sozialdemokraten ändert. Die Verteidigungswälle waren schon unter sozialdemokratischer Führung langsam verwittert und durchlöchert worden. Zudem machen sich infolge der vierjährigen Regierungsperiode der konservativ-liberalen Koalition im Alltagsleben der SchwedInnen die Auswirkungen der Auflösung des sozialen Netzes und der Privatisierung öffentlicher Aufgaben immer mehr bemerkbar.
Leider reagierte das Oppositionsbündnis von Rot-Rot-Grün unter Führung der Sozialdemokraten auf diese Veränderung im Wahlkampf nicht mit einer wirklichen Alternative. Auch die schwedische Sozialdemokratie hat nach der Kurskorrektur des neoliberalen Blairschen "Dritten Wegs" bisher nicht wieder Fuß gefasst. Im Bemühen, ja keine Mitte-WählerInnen zu verlieren, traute sie sich nicht, die linke Rhetorik der Konservativen, sie seien die eigentlichen Hüter des Sozialstaats, mit einem deutlichen Gegenentwurf zu parieren. Und auch dessen Kosten zu benennen. Stattdessen arbeitete man sich an Steuererleichterungen hinter dem Komma ab oder diskutierte, ob es denn nun im siebten oder im achten Schuljahr die ersten Zeugnisnoten geben sollte.
Reinhard Wolff ist taz-Korrespondent in Skandinavien. Er lebt und arbeitet in Schwedens Hauptstadt Stockholm.
Es ist also alles andere als verwunderlich, dass eine Mehrheit der SchwedInnen diese "Alternative" auf eine weitere vierjährige Oppositionsrunde schickte. Teile der Sozi-Stammwählerschaft blieben entweder ganz zu Hause oder setzten ihr Kreuzchen eben gar bei den Rechtspopulisten.
Dass deren neues ausländerfreies "Volksheim" weder human noch finanzierbar ist, interessierte offenbar wenig. Nun sitzt die Rassistenpartei im Parlament. Doch zumindest haben die etablierten schwedischen Parteien jetzt noch die Chance, sich vom Gedankengut dieser Partei nicht anstecken zu lassen. Es bleibt abzuwarten, ob ihnen wenigstens das gelingt.
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