Kommentar Oscars für "Slumdog Millionaire": Tücken des globalen Entertainments
Mit den acht Oscars für den Film "Slumdog Millionaire" ist die Globalisierung im Kino angekommen. Dass das nicht immer funktioniert zeigt, der auch ausgezeichnete Film "Der Vorleser".
W enn der mit acht Oscars ausgezeichnete Spielfilm "Slumdog Millionaire" etwas zeigt, dann dies: Die Globalisierung ist endgültig im Kino angekommen.
Dem Film zugrunde liegt ein indischer Roman, ein Brite hat Regie geführt, die Produktionskosten von 15 Millionen Dollar haben drei Londoner Firmen zusammengetragen, die Darsteller und die Schauplätze wiederum sind indisch. Das TV-Quiz "Wer wird Millionär?" spielt eine wichtige Rolle, und damit eine Unterhaltungsshow, die in den unterschiedlichsten Winkeln der Welt dasselbe Produktionsdesign aufweist.
Kultur und Unterhaltung lassen sich heute so wenig als nationales Produkt definieren wie Autos, Dosentomaten oder Computer. Wer da noch darauf pocht, eine nationale Geschichte aus nationaler Perspektive zu erzählen, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Die Hindunationalisten, die durch "Slumdog Millionaire" das Ansehen Indiens besudelt glauben, sitzen einem ähnlichen Anachronismus auf wie diejenigen, die fürchten, eine Hollywood-Produktion wie "Operation Walküre" müsse dem Hitler-Attentäter Stauffenberg zwangsläufig Unrecht tun.
Das heißt nun aber nicht, dass die globalisierten Kulturprodukte über jeder Kritik stehen. Sie ebnen lokale Besonderheiten ein und verzichten damit auf etwas, was einen Film erst aufregend macht: auf den genauen Blick und die dichte Beschreibung. Und manchmal fällt das Resultat der globalen Anstrengung sehr hässlich aus - zum Beispiel im Fall von Stephen Daldrys mit einem Oscar ausgezeichneten Film "Der Vorleser". Der Regisseur ist Engländer, die Romanvorlage stammt von dem deutschen Schriftsteller Bernhard Schlink. Neben der Weinstein Company war das in Potsdam ansässige Studio Babelsberg an dem Film beteiligt, ebenso die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen. Die Schauspieler stammen aus den USA, England und Deutschland. Was fehlt, ist jedwede Sensibilität für den vielschichtigen Stoff. "Der Vorleser" drängt zum Mitleid mit der Figur einer ehemaligen KZ-Wärterin, statt dass er an ihren mörderischen Taten Anstoß nähme. Das ist vor allem eines: globalisierter Zynismus.
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