Kommentar Opel: Nüchtern betrachtet
Opel ist Opfer eines überfälligen Strukturwandels. Der Autobauer agiert auf einem gesättigten Markt. Und die planvolle Insolvenz ist die einzige Alternative zu teuren Rettungsversuchen.
Tarik Ahmia wurde 1966 in Algier geboren und ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz. Als Volkswirt hat er seit je einen kritischen Blick auf Wirtschaftsforscher, die sich im Besitz einer objektiven Lehre glauben.
Wenn der Staat die Banken rettet, warum dann Opel vor die Hunde gehen lassen? Diese Frage tausender protestierender Opelaner, Händler und Zulieferer, die nun um ihre Jobs bangen, ist verständlich. Doch in dieser emotional aufgewühlten Lage hilft nur die nüchterne Analyse. Die zeigt: Opel ist weniger Opfer der Finanzkrise als eines längst überfälligen Strukturwandels. Der Autobauer agiert auf einem gesättigten Markt. Und es ist nicht Sache der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass Opel in dieser prekären Lage eine unternehmerische Zukunft hat.
Bevor die Bundesregierung nun reflexartig weitere Milliarden Steuergelder zur Rettung angeschlagener Branchen mobilisiert, muss sie zunächst ein Konzept dafür haben, wie sie mit der absehbaren Eskalation der Weltwirtschaftskrise umgehen wird. Eine Rettung des Bankensystems war nötig, denn sein Zusammenbruch hätte zweifellos alle anderen Wirtschaftszweige mit sich in den Abgrung gerissen. Gemessen daran ist Opel nicht "systemrelevant". Steigt man dennoch bei Opel als Eigentümer ein, macht man sich eines ordnungspolitischen Sündenfalls schuldig. Die Frage ist auch: Wo endet danach das staatliche Engagement? Schon jetzt wird in der gesamten Stahl- und in der Textilindustrie laut über Jobabbau nachgedacht. Mit welcher Begründung könnte man hier Steuergelder verwehren, die man Opel noch großzügig gewährte? Die planvolle Insolvenz von Opel bietet deshalb die einzige Alternative zu teuren Rettungsversuchen einer anachronistischen Industrie.
Die einstige Zechenstadt und Opel-Hochburg Bochum ist diesen Weg bereits gegangen. Nur noch ein Drittel der Arbeitsplätze findet sich im produzierenden Gewerbe. Universitäten und Fachhochschulen sind heute die größten Arbeitgeber. Einen solchen Strukturwandel sollte der Staat weiter unterstützen. So wie in Schweden: Dort hat die Regierung den Autobauer Saab nicht vor der Insolvenz gerettet. Der Bau von Autos biete keine industrielle Perspektive mehr, urteilte die schwedische Wirtschaftsministerin. Die vielen qualifizierten Saab-Mitarbeiter seien in zukunftsträchtigen Branchen wie den erneuerbaren Energien besser untergebracht.
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