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Kommentar Online-Netzwerk Google+Und noch eine Accountleiche

Maik Söhler
Kommentar von Maik Söhler

Mit Google+ will das führende Internetunternehmen endlich Facebook im Bereich der Online-Netzwerke Konkurrenz machen. Doch das wird schwierig werden.

Gib mir Tiernamen: "Kreise" auf Google+. Bild: screenshot google

E in bisschen Facebook, ein wenig Diaspora, dazu reichlich Erfahrungen aus den eigenen Google-Netzwerken Orkut und Buzz sowie aus dem (schon wieder eingestellten) E-Mail-Ergänzungsprogramm Wave - und fertig ist //plus.google.com:Google+.

Google ist kaum angefochten die Nummer 1 im Netz - dem Wachstum von Facebook zum Trotz. Können Millionen Suchmaschinen-, Maps-, Street-View- und Fotonutzer irren? Ja, können sie, ist aber auch nicht weiter wichtig. Wird Google+ dank Millionen Google-Nutzern so zum Selbstläufer? Keineswegs. Online-Netzwerke sind Googles Sache nicht. Google Wave ist nicht mehr, Google Buzz dümpelt vor sich hin, Orkut mag der heiße Scheiß sein - in Brasilien, Indien und bei der Landbevölkerung im Iran. Sonst aber nirgends.

Google+ ist ein grundsolides Netzwerk. Eine Videochatfunktion weist nach vorne, ansonsten ist alles da, was auch die Konkurrenz zu bieten hat: Chat, E-Mail, Einteilung von Nutzern in verschiedene Gruppen, damit nicht jeder mit allem konfrontiert wird. Eine Toolbar verbindet + mit dem Rest des Google-Universums, die Funktionen "+1" und "Sparks" dienen genuin der Vernetzung und der nicht ganz unwichtigen Online-Bauchpinselei - was wäre Twitter ohne Favstar, was Facebook ohne "gefällt mir"?

Maik Söhler (41) ist Chef vom Dienst bei taz.de. Er zieht neue Netzwerke alten Seilschaften vor.

"Zeitfresser" und Datenschutz

Allerdings: Auch Buzz und Wave waren grundsolide. Ihr Misserfolg hat mit den gebotenen Funktionen wenig, mit der Präsenz von Twitter und Facebook dafür umso mehr zu tun. Nur Spezialisten brauchen weitere Netzwerke, nur Freaks fühlen sich permanent untervernetzt. Ansonsten ist der Markt gesättigt, Beschwerden über die "Zeitfresser" vernimmt man mittlerweile ebenso häufig wie Zuneigungsbekundungen.

Auch Datenschutz-affine Nutzer werden Google nun nicht die Bude einrennen, im Gegenteil: Googles Umgang mit Nutzerdaten bleibt, sagen wir es vorsichtig: suboptimal. Mit Diaspora und Identi.ca sind Datenschützer gut bedient. Warum also der erneute Versuch von Google, mal wieder mit einem neuen Netzwerk landen zu wollen? Weil es keine Alternative gibt. Der Konzern muss Facebook entgegentreten, um nicht an Bedeutung zu verlieren.

Doch es ist mehr als nur Verzweiflung, was Google antreibt. Wie so oft macht Google einfach mal und schaut dann, was passiert. Gmail, Books, Chrome - wo andere Unternehmen akribisch einen Plan verfolgen, wenn es um neue Produkte geht, übergeht Google oft das Ankündigungs- und Präsentationsprozedere und stellt es einfach online. Was soll dabei auch schief gehen? Wenn + floppt, kommt in anderthalb Jahren halt der nächste Versuch. Wen interessiert schon eine weitere Accountleiche?

Mit jedem dieser Versuche lernt Google hinzu. Jeder neue Versuch ist besser als sein Vorgänger. Trial & error. Selbst wenn Google irgendwann seine Bemühungen im Bereich der Online-Netzwerke einstellen sollte, so blieben doch genügend Erfahrungswerte aus diesen Versuchen übrig, die sich anderweitig nutzen ließen. Wer + in diesem Sinne interpretiert, begreift schnell: Google wird mit + kein Minus machen.

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Maik Söhler
Journalist
Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.
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7 Kommentare

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  • M
    Michele

    Liebe Vorredner,

     

    der Artikel hat meiner Meinung nach nichts mit Bashing zu tun, auch wenn er nicht unbedingt positiv ist. Aber was gibt es denn da auch großartig positives zu berichten.

    Der Autor bringt nur eins auf den Punnkt: Es ist das Gleiche wie FB nur in einer anderen Verpackung (plus Videochat) und ich bin sehr froh, dass er das Thema Datenschutz anspricht, denn genau das haben die sogenannten seriösen IT Reviews oft nicht gemacht. Es gibt sicher Vorteile, wenn ein omnipräsentes Unternehmen a la Google ein soziales Netzwerk aufbaut. ABER die dadurch vergrößerte Macht sollte man durchaus unter die Lupe nehmen. Ich jedenfalls würde es als sehr beunruhigend sehen, wenn ich für alles Google nutzen würde. Und das hat sicher nichts mit "kennt der Bauer nicht" zu tun, sondern ist lediglich eine kritische Haltung zum sonst gewohnten "Ja!" zu allem.

    Ich kann jedem nur Diaspora nahe legen, wenn es denn mal fertig wird. Wobei die auch ein deutlich geringeres Budget haben als Google.

    Grüße von einem nicht Google-Nutzer

  • B
    Blenn

    Was sind das denn hier für Kommentatoren?

     

    Google ist ein Quasi-Monopolist, der seine Marktmacht nutzt, um weitere Produkte in den Markt zu "drücken", siehe Places und youtube.

     

    Ein kreatives Produkt ist diese Facebook Kopie ohnehin nicht und es ist kaum zu erwarten, das in einem Jahr sämtliche FB Nutzer im Google Netzwerk anzutreffen sind.

     

    So gesehen dürfte es ausreichen, sich diesen Artikel zu bookmarken und in einem Jahr stirnrunzelnd die "kompetenten" Äußerungen zu lesen, die den "Durchbruch" dieses genialen Produktes implizieren.

     

    In einem Tenor, der in Ausdruck und Formulierung an so vielen Stellen im Web zu finden ist, dass sich durchaus die Frage stellt, ob hier nicht eine Reputation Management Agentur tätig ist. Zumindestens weisen die Versuche, rethorisch unterschwellig eine Kompetenz für sich in Anspruch zu nehmen, darauf hin.

     

    Wahrscheinlich die Gleiche, die vor vielen Jahren MSN als Maß aller Dinge verkaufen wollte und im Internet lediglich eine Randerscheinung des digitalen Zeitalters sah.

     

    Warten wir doch einfach ab, welcher Augur am Ende Recht behalten wird. Denn der Kaiser hat vielleicht gar keine Kleider an.

  • BW
    böser wolf

    Here we go again: Die taz bringt einen Anti-Google Text ... Ich bin keineswegs ein glühender Verehrer des Unternehmens, aber die Unausgewogenheit der taz in Sachen "Digitales" ist unangenehm auffallend und inzwischen als allgemein lästig akzeptiert.

    Tatsachen werden übersehen und Features falsch dargestellt. Fehlende Übersicht in Kombination mit weltfremder Einschätzung vervollständigen den Bereich der Berichterstattung über digitale Lebensaspekte. Der taz ist das ganze digitale Gedöns scheinbar irgendwie unheimlich. Was der Bauer nicht kennt, dass isst er nicht, hat meine Oma immer gesagt. So kommt mir das vor.

     

    Der Autor dieses Textes hat es vielleicht nicht verdient, die gesammelte Schelte abzubekommen - dieser Text gehört eher in die naive Schublade, das Meiste was hier zu lesen ist, allerdings nicht.

     

    Ich lese die taz wirklich sehr gerne und freue mich oft über Haltung und Qualität.Aber als jemand der sich beruflich mit dieser digitalen Welt auseinandersetzt und auch nicht immer ein Fan von Allem ist, was ihm da so vorgesetzt wird, muss ich sagen, die taz ist einfach in diesem Bereich absolut nicht empfehlenswert. Gerade von der taz würde ich mir, was diese Thematiken angeht, mehr Augenmaß wünschen. Schade, wieder mal schade!

  • M
    Manu

    Bin seit heute in dem Genuss eines Testaccounts und kann nur sagen, ich bin -obwohl ich kein Freund von Facebook&Co bin- begeistert. Google+ wäre die erste Plattform die so gut wie alles was das SocialWeb hergibt in sich vereint, Following wie bei Twitter, Social Networking à la Facebook, Newsfeed, Videochats mit bis zu 10 Leuten und eben die Integration in die anderen Produkte die Google bereits hat. Dass Google damit definitiv zur Datenkrake Nummer 1 werden könnte mag den ein oder anderen zwar beunruhigen, aber es ist großteils immer noch jedem selbst überlassen, welche Informationen preis gibt. Brain.exe hilft da :-) Sollte Google+ die Kritische Masse an Nutzern erreichen, dürfte Facebook wohl bald eine ernstzunehmende Konkurenz haben. Ein Erfolg wäre schon jetzt mehr als verdient, da es, wie mein Vorredner schon geschrieben hat, "dem Platzhirsch schon jetzt meilenweit voraus" ist.

  • M
    marcel

    Der Autor hat den großen Vorteil eines sozialen Netzwerks an der Wurzel des Internets, einer Suchmaschine, nicht erkannt.

     

    Google+ ist in seiner frühen Version technisch, qualitativ und in der Handhabung dem Platzhirsch schon jetzt meilenweit voraus.

     

    Aber vor allem kann es das bieten, was sonst keine Webseite kann: es kann sich WIRKLICH im ganzen Web integrieren. Das was Facebook durch Like-Buttons auf anderen Webseiten versucht hat, kann Google durch seine gesamte Produktpalette ziehen, allem voran der Google-Suche und den unzähligen Tools Third-Party-Webservices einzubeziehen. Schon jetzt werden Beiträge von Freunden auf Google+, Twitter, Facebook, Buzz und Co in der persönlichen Suche hervorgehoben.

     

    Das garantiert natürlich alles nicht den Erfolg, aber es ist Googles erster Versuch, der es verdient hätte. Das ist der Unterschied.

  • M
    MeinName

    Lustig. Für 90% der seriösen IT Reviews ist Google+ ein hervorragendes Produkt. Nur die Taz muss mal wieder gegensteuern.. naja ihr habt halt keine Ahnung.

  • KU
    Kay Urban

    Und die Anti-Google Kampagne der Taz geht weiter.

     

    Die mangelnde Kompetenz im Bereich neuer Medien wird Artikel um Artikel deutlicher.

    Egal ob es um falsche Fakten oder das Übersehen wichtiger Funktionen und Prognosen geht, die TAZ beweißt immer wieder mangelnde Kompetenz und Weitsicht.

     

    Tut euch einen Gefallen und leitet einfach auf Artikel weiter, dann erspart ihr euch die Peinlichkeiten.