Kommentar Oktoberfestattentat: Da steckt noch mehr dahinter

Parallelen zum NSU drängen sich auf. Die Polizei ermittelte schon damals sehr einseitig. Und die Politik wollte von rechtsextremem Terror nichts wissen.

Die Spurensicherung am Tatort, 1980. Bild: dpa

Vielleicht haben die Sicherheitsbehörden aus dem Versagen im Zusammenhang mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) doch etwas gelernt. Ohne diesen Skandal jedenfalls schien es lange extrem unwahrscheinlich, dass das Attentat auf das Oktoberfest noch einmal neu aufgerollt wird. Dabei ist das lange überfällig.

Als die Bundesanwaltschaft nach zwei Jahren die Ermittlungen abschloss, blieb ein Einzeltäter übrig: Gundolf Köhler, ein 21-jähriger Student und Anhänger der neonazistischen Wehrsportgruppe Hoffmann, der bei dem Anschlag selbst ums Leben kam. Er soll die Bombe allein gebaut und gelegt haben – nicht aus politischen Gründen, sondern weil er sexuell frustriert und durch eine Prüfung gerauscht war. Es blieb also genau das, was der Politik in den Kram passte. Denn die wollte von rechtsextremem Terror schon damals nichts wissen.

Auch andere Parallelen zum NSU drängen sich auf. Die bayerische Polizei ermittelte sehr einseitig. Zeugen, die Köhler mit möglichen Mittätern gesehen hatten, wurden nicht ausreichend beachtet. Wichtige Beweismittel verschwanden, Asservate wurden vernichtet. Woher der Sprengstoff für die Bombe kam, wurde nie geklärt.

Auch die Rolle jenes Neonazis blieb unklar, der einer anderen rechtsextremen Gruppe kurz vor dem Anschlag Sprengstoff anbot – und über dessen mögliche V-Mann-Tätigkeit die Bundesregierung bis heute keine Auskunft gibt. Auch sind noch immer viele Akten unter Verschluss.

Dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden, ist auch zwei Männern zu verdanken: dem Journalisten Ulrich Chaussy und Werner Dietrich, der als Rechtsanwalt zahlreiche Opfer vertrat. Immer wieder hat er versucht, eine Neuaufnahme der Ermittlungen zu erstreiten. Jetzt hat er endlich Erfolg. Noch einen Ermittlungs-GAU wie beim NSU können sich die Behörden nicht leisten. Das dürfte auch der Bundesanwaltschaft klar sein. Der Generalbundesanwalt hat gestern zugesagt, umfassend zu ermitteln. Das bayerische LKA muss dieses Versprechen endlich umsetzen.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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