Kommentar Offensive auf Mossul: Ein Sieg über den IS ist zu wenig
In Mossul geht es um mehr als die Eroberung der Stadt. Wenn die Offensive nicht im Desaster enden soll, müssen ethnische Rivalitäten beachtet werden.
S ie wurde schon oft angekündigt und lange vorbereitet. Nun hat der irakische Regierungschef Haider al-Abadi am frühen Montagmorgen offiziell den Beginn der Offensive gegen die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ (IS) in Mossul verkündet. Hier, in der zweitgrößten Stadt des Landes, begann im Sommer 2014 der Siegeszug des IS, und hier wird er wohl auch enden.
Für die irakische Regierung ist es die größte Operation seit dem Abzug der US-Truppen im Jahr 2011 – eine Herausforderung, allerdings weniger in militärischem Sinn. Im Zweistromland selbst und in Syrien hat sich bereits gezeigt, dass der IS besiegbar ist, auch wenn sich die Kämpfe über Wochen oder Monate hinziehen können.
In Mossul geht es um weit mehr als die Rückeroberung der zweitgrößten Stadt des Irak. Es geht genauso darum, dass Abadi, ein Schiit, Verantwortung dafür übernimmt, dass alle ethnischen und religiösen Gruppen des gespalteten Landes politisch teilhaben können. Die Regierung scheint sich dieser Problematik zumindest bewusst zu sein. Die für Gewalttaten berüchtigten schiitischen Milizen kämpfen dieses Mal nicht an der Seite der irakischen Armee vor der mehrheitlich sunnitischen Stadt Mossul im Norden. Sie werden stattdessen vor Hawija, 100 Kilometer weiter südlich eingesetzt.
Wenn die Offensive nicht im Desaster enden soll, müssen ethnische Rivalitäten von Beginn an berücksichtigt werden. Dies gilt vor allem für die seit dem Sturz von Saddam Hussein politisch an den Rand gedrängten Sunniten. Ob Bagdad das gelingt, wird man daran ablesen können, wie und von wem Mossul nach der Rückeroberung verwaltet wird – eine derzeit noch offene Frage.
Es besteht durchaus die Gefahr, dass die Armee, schiitische und sunnitische Milizen, die kurdischen Peschmerga sowie die Türkei ihren Anteil an der „Beute“ mit der Macht der Waffen einfordern. Für die ohnehin geschwächte irakische Regierung wäre eine solche Entwicklung ein Worst-Case-Szenario. Erneut könnten dann politische Machtkämpfe ausbrechen, denn Abadi hat auch erbitterte Widersacher unter den Schiiten, allen voran seinen Amtsvorgänger Nuri al-Maliki. Nach einer Eroberung Mossuls aufflammende Kämpfe wären eine Steilvorlage für innerschiitische Konflikte. Für die Stabilität des Irak wäre das das denkbar schlechteste Zeichen.
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