Kommentar Österreichs Kanzler: Rücktritt auf Raten
Mit seinem Rücktritt vom Parteivorsitz ist Kanzler Gusenbauer der Demontage zuvorgekommen, die ihm spätestens zum Parteitag im Oktober gedroht hätte.
N iemand bestreitet, dass Alfred Gusenbauer ein kluger Mann ist. Doch sein Verhandlungsgeschick und sein öffentliches Auftreten als Politiker sind weniger berühmt. Seit den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP im Januar 2007, in denen er dem kleinen Koalitionspartner die Schlüsselressorts Inneres, Äußeres und Finanzen überließ, stand Gusenbauer in der Kritik. Seine großen Wahlversprechen - die Abschaffung der Studiengebühren, die Abbestellung der Eurofighter, mehr Sozialstaat - zerschellten am Widerstand der ÖVP. Seither kursiert das Wort vom "Umfallkanzler".
Als dann noch eine Wahl nach der anderen verloren ging - Graz, Niederösterreich, Tirol -, machte sich an der Basis Panik breit. Wiens Bürgermeister Michael Häupl, inoffiziell der mächtigste Mann in der SPÖ, stellte dem Parteivorsitzenden ein Ultimatum: bis August müsse die sozialdemokratische Handschrift in der Regierung deutlicher werden.
Mit seinem Rücktritt vom Parteivorsitz ist Gusenbauer der Demontage zuvorgekommen, die ihm spätestens zum Parteitag im Oktober gedroht hätte. Gleichzeitig kann er jetzt versuchen, in seinem Amt als Kanzler stärker an Profil zu gewinnen. Das ist ihm bisher nämlich nur in außenpolitischer Hinsicht gelungen. Allerdings hat der österreichische Regierungschef, anders als der deutsche, keine Richtlinienkompetenz - er kann also nur kraft seiner natürlichen Autorität die Richtung bestimmen. Wenig spricht deshalb dafür, dass Gusenbauers Plan aufgeht und er gestärkt in die Nationalratswahlen 2010 ziehen kann. Viel eher zeichnet sich ein Abschied auf Raten ab. Er kann nur hoffen, dass die EU oder eine internationale Organisation ihm den ehrenvollen Absprung ermöglichen.
Gusenbauers Scheitern ist allerdings nur das Symptom einer Krise seiner Partei. Durch Privatisierungen und Pleiten haben Österreichs Sozialdemokraten in den letzten 20 Jahren ihre wirtschaftliche Macht, durch den Zeitgeist zwei Drittel ihrer Mitglieder sowie eine klare politische Botschaft verloren. Ob die Partei ohne Gusenbauer nun plötzlich wieder mehrheitsfähig wird, muss bezweifelt werden.
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