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Kommentar Österreichs AnschlussKein blaublütiger Einzelfall

Kommentar von Ralf Leonard

Die Österreichische Volkspartei will von der eigenen Vergangenheit nichts wissen. Noch immer huldigt sie dem Austrofaschisten Dollfuß, der den Boden für die Nazis vorbereitete.

T äter oder Opfer? Anlässlich des 70. Jahrestags des Anschlusses Österreichs an Hitler-Deutschland wurde in den Medien viel Aufarbeitung betrieben, und kein ernsthafter Historiker bezweifelt, dass in Österreich Führerkult und Judenhetze auf fruchtbaren Boden fielen. Spätestens seit der Debatte über Bundespräsident Kurt Waldheim (1986-1992) ist weitgehend unumstritten, dass auch Mitläufer ihren Anteil am Funktionieren der NS-Vernichtungsmaschinerie hatten.

Umso verstörender ist es, wenn Kaisersohn Otto Habsburg den Jubel einer Viertelmillion Menschen auf dem Heldenplatz grob verharmlosend mit dem Rummel bei einem Fußballmatch vergleicht und dafür auch noch frenetischen Beifall erntet. So geschehen bei einer ÖVP-Veranstaltung am Montag. Anders als die SPÖ, die vor einigen Jahren die "braunen Flecken" ihrer Vergangenheit aufarbeitete, stellt sich die Österreichische Volkspartei nicht den problematischen Entwicklungen ihrer eigenen Geschichte. In ihrem Parlamentslokal hängt heute noch ein Porträt des christlich-sozialen Austrofaschisten Engelbert Dollfuß, der 1933 die Demokratie ausschaltete und mit seiner autoritären Herrschaft den Boden für die Nationalsozialisten erst bereitete.

Die konservative Tageszeitung Die Presse hatte schon am Wochenende unter dem Titel "Vom Opfer- zum Tätermythos" gegen eine vermeintlich von Alt-68ern durchgesetzte "politisch korrekte" Geschichtsdeutung Stimmung gemacht. Die Geschichtsrevision Habsburgs war also kein Ausrutscher eines senilen Blaublütigen, sondern liegt voll im Trend und trifft sich mit der Forderung von ganz rechts, endlich einen "Schlussstrich" unter die Vergangenheit zu ziehen.

Jeder fünfte Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren wünscht sich laut Umfragen einen "starken Mann". Man darf davon ausgehen, dass sich dieses Phänomen nicht auf Sympathisanten von ÖVP und FPÖ beschränkt. Umso wichtiger ist es, dass nicht nur anlässlich von Gedenktagen daran erinnert wird, welches Unheil die "starken Männer" über die Welt gebracht haben

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