Kommentar Ölpest: Am Anfang der Katastrophe
Je weniger man tun kann, um die schwarze Pest zu stoppen, desto wichtiger werden symbolische Handlungen. Also muss der Präsident vor Ort sein und Leadership in Gummistiefeln ist gefragt.
Z wölf Tage nach dem Untergang der BP-Bohrinsel "Deepwater Horizon" hat die Katastrophe gerade erst begonnen. Denn erst wenn ölverschmierte Vögel sterbend ins Wohnzimmer hoppeln, wird das Ausmaß des Desasters für die Welt begreifbar.
800.000 Liter Öl fließen täglich aus dem Bohrloch, und die Reparatur soll Monate dauern. Diese Hilflosigkeit und die Vorstellung eines unerbittlich sprudelnden Lecks in absoluter Dunkelheit in unzugänglicher Tiefsee machen das Unglück so beklemmend. Da ist wieder Leadership in Gummistiefeln gefragt. Je weniger man tun kann, um die schwarze Pest zu stoppen, desto wichtiger werden symbolische Handlungen. Also muss der Präsident vor Ort sein. Also zieht man tausende Helfer zusammen. Denn hier wird nicht nur ein schöner Strand geschwärzt, hier erstickt eine der schönsten Küstenregionen weltweit, ein Mythos der US-Landkarte.
Wie in Zeitlupe erleben wir eine der größten Katastrophen in der Geschichte der Ölförderung. Schon jetzt ist die Ausdehnung des Ölteppichs von 9.000 Quadratkilometern - halb so groß wie Sachsen - gigantisch, und sie wird weiter wachsen. Wer erinnert sich jetzt noch an den Präsidentschaftswahlkampf mit dem verbohrten John McCain, der mit dem Slogan "Drill here, drill now" durch die Lande gereist war und - auf dem Höhepunkt der Ölpreiskrise - am liebsten gleich die halbe Arktis angebohrt hätte. Und das wird kommen! Mit den hohen Ölpreisen und dem Erreichen des weltweiten Fördermaximums (peak oil) wird die Ölgewinnung noch aufwändiger und gefährlicher. Und die Schere zwischen einer wachsenden Nachfrage und der gleichzeitig stagnierenden und später sinkenden Förderung wird alle Hemmungen beseitigen.
So haben die Katastrophenbilder vor allem eine Funktion: der Welt noch einmal klarmachen, welche Risiken sie mit der Förderung in immer größeren Tiefen eingeht. Aber mehr als verschärfte Sicherheitsbestimmungen dürfen wir nicht erwarten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!