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Kommentar Öffentlicher DienstVerdi ist zum Erfolg verdammt

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Bund und Kommunen legen ein Scheinangebot vor: Mehr Arbeit für Ausgleich der Inflation. Verdi muss mit Streik drohen - auch wenn das weniger bringt als in anderen Branchen.

F ür Flugreisende könnte es ab Mitte April schwierig werden, in Deutschland abzuheben. Auch die Mülltonnen könnten überquellen, Busse im Depot bleiben und Sparkassen schließen. Im öffentlichen Dienst droht Streik, wenn es am Samstag nicht zu einer Einigung in letzter Minute kommt. Danach sieht es nicht unbedingt aus. Arbeitgeber wie Gewerkschaften scheinen zu glauben, dass sie durch einen Konflikt nur gewinnen können.

taz

Ulrike Herrmann ist Redakteurin für Wirtschaftspolitik der taz.

Bund und Kommunen setzen ganz offen auf Provokation: Zwar haben sie ihre Offerte erhöht, aber nur kosmetisch. Noch immer soll der Reallohn der Staatsdiener sinken. Sechs Prozent mehr Gehalt, verteilt auf zwei Jahre, reichen sowieso nur knapp, um die Inflation auszugleichen. Doch überdies sollen die westdeutschen Beschäftigten auch noch eine Stunde pro Woche länger arbeiten.

Dieses Scheinangebot mussten Ver.di und der Beamtenbund ablehnen, wenn sie sich nicht in die Bedeutungslosigkeit verabschieden wollen. Drei nominale Nullrunden haben die Staatsdiener bereits hinter sich, weil Konjunktur und Haushaltskassen angeblich keine Lohnerhöhungen zuließen. Doch nun werden stets neue Rekorde bei den Steuereinnahmen verzeichnet. Gewerkschaften sind überflüssig, wenn sie ihren Mitgliedern keinen Anteil am Aufschwung verschaffen können. Insofern ringt Ver.di jetzt um seine Existenz. Zudem ist unübersehbar, dass sich das Zeitfenster für Lohnerhöhungen schon wieder schließt: Die Finanzkrise in den USA wird auch das Wachstum in Deutschland bremsen und neue Sparrunden einleiten.

Ver.di muss also mit Streik drohen. Doch was zunächst wie ein Signal der Stärke wirkt, ist tatsächlich ein Zeichen der Schwäche, wie der Vergleich mit anderen Branchen zeigt. So stieg der Lohn der Stahlarbeiter kürzlich um satte 5,2 Prozent - nach einem kurzen Warnstreik. Schon der Gedanke an eventuelle Gewinneinbußen machte die Arbeitgeber dort kompromissbereit. Doch solche Profitsorgen plagen Kommunen und Bund bekanntlich nur selten. Häufig ist es sogar billiger, eine öffentliche Dienstleistung gar nicht erst zu erbringen - etwa im subventionierten Nahverkehr. Streik kann also ein gutes Geschäft für die Kommunen sein. Ver.di ist nicht zu beneiden.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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