Kommentar Obamas Wirtschaftsrede: Moral statt Konzept
Die Rede von Obama war vor allem eines: langweilig. Der amerikanische Präsident muss aufpassen, dass er sich nicht zur Karikatur seiner selbst macht.
B arack Obama träumt – seinen amerikanischen Traum. Er will als erfolgreicher Präsident in die Geschichte des Landes eingehen. Und er hat es selbst gesagt: Seine Tage im Weißen Haus sind gezählt. Noch 1276 waren es am Mittwoch.
Obama muss jetzt also bringen. Er muss die Wirtschaft ankurbeln. Mit einem Wachstum von 1,7 Prozent wird sie nach Prognosen auch im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit nur schleppend genesen. Zwar nimmt die Zahl der Arbeitslosen mäßig ab. Doch die geschaffenen Jobs bringen den Wiedereinsteigern auf dem Arbeitsmarkt nur die Hälfte oder weniger ihres alten Gehalts.
Die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich beschädigt die Idee der amerikanischen Chancengleichheit massiv. Es reicht nicht, immer wieder soziale Gerechtigkeit zu predigen. Obama weiß: Er muss seine politischen Gegner ins Boot holen, um ans Ziel zu kommen. Eben diese Gegner, die sich von Anbeginn seiner Amtszeit zum Ziel gemacht haben, den Demokraten zu Fall zu bringen. Koste es die amerikanische Bevölkerung, was es wolle.
ist freie Publiszistin und schreibt aus den USA.
Und ihren nächsten Streich haben die Konservativen schon erkennen lassen: Sie wollen ihn noch härter als in den Vorjahren bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen vor die Wand fahren lassen. Doch Obama weiß auch: Wollen die Republikaner sich bei den Midterm-Wahlen im nächsten Jahr nicht alles verbauen, können sie es sich nicht leisten, sich auf die Rolle der Spielverderber zu reduzieren. Der Senat hat das begriffen. Mit Stimmen von Republikanern bekamen die Demokraten dort in den letzten Wochen einige Gesetze durch - vom Einwanderungsrecht bis zu den Studentendarlehen.
Diesen Schwung will Obama nun nutzen, um das Ruder auch in der Wirtschaftspolitik wieder an sich zu reißen. Aber ehrlich: Mit einer Reihe von Moralpredigten, die das Weiße Haus seit Tagen angepriesen hat, als handle es sich um den neuen Superman-Film?
Die Rhetorik ist wie immer genial. Doch der Plot reicht nicht. Und der Monolog ist ein alter, nur dass er immer länger wird. Obama muss aufpassen, dass er sich damit nicht zur Karikatur seiner selbst macht. Die Sprechblasen werden sonst platzen wie sein amerikanischer Traum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“