Kommentar Obama-Antritt: Rechtzeitige Notbremsung
Obamas designierter Handelsminister will sein Amt wegen eines Korruptionsskandals nicht antreten. Doch für die Demokraten gibt es noch eine weitere Hypothek.
N och bevor es an den Start gegangen ist, erleidet Obamas Kabinett den ersten Schwund. Der designierte Handelsminister Bill Richardson warf am Wochenende überraschend das Handtuch. Ist das ein Zeichen besonderer Ethik - oder eher Ausdruck erhöhter Nervosität unter den Demokraten, die gerade einen fetten Korruptionsskandal in Chicago niederzuringen versuchen?
Adrienne Woltersdorf ist Washington-Korrespondentin der taz.
Der Grund von Richardsons Entscheidung, von seiner Kandidatur zurückzutreten, sind anstehende Ermittlungen. Es geht um einen nicht illegalen, aber problematischen Fall von Wahlspenden einer Firma, die sich gleichzeitig um öffentliche Aufträge im Bundesstaat New Mexico bewarb, in dem Richardson Gouverneur ist. Dem Obama-Team ist sicherlich vorzuwerfen, dass es bei der Nominierung Richardsons, dem einzigen Latino im neuen Kabinett, geschlampt hat. Denn von den problematischen Spenden wusste die interessierte Öffentlichkeit bereits seit vergangenen August.
Dass Richardson jetzt nun die Notbremse zog - er soll sie wirklich selbst gezogen haben -, ist angesichts der albtraumhaften Probleme, die die Regierung Obama angehen muss, nur klug und anständig. Obama kann sich keine offene Flanke leisten: Er braucht im Kongress mehr als jeder andere Präsident vor ihm die Unterstützung aller. Und die bekommt er nur, wenn er mit Integrität und Überzeugungskraft auftritt.
Angesichts des peinlichen Schauspiels um den korrupten Gouverneur von Illinois, Rod Blagojevitch, sind das Obama-Team und die Demokraten schon genug ins Schwitzen geraten. Blagojevitch wollte Obamas frei werdenden Senatorenposten erst glatt meistbietend versteigern - nun hat er frech einen schwarzen Politiker zum Obama-Nachfolger ernannt. Den Liberalen, die in Washington demonstrativ aufräumen und ein neues Zeitalter der politischen Ethik einläuten wollten, hat Blagojevitch erst einmal ordentlich die Suppe versalzen.
Obama konnte sich bislang überzeugend fernhalten vom Blagojevitch-Sumpf. Doch für die Demokraten ist der Blagojevitch-Skandal schon jetzt eine arge Hypothek.
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