Kommentar ORF: Hierarchen schlafen fest
Das Protestvideo der ORF-Mitarbeiter soll ein Weckruf sein. Doch den Chefs des Rundfunksenders ist ihre Macht wichtiger als Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit.
M it einem privat gedrehten YouTube-Video geben 55 Mitarbeiter der ORF-Information dem Protest gegen SPÖ-genehme Postenbesetzungen im Sender ein Gesicht - ihres. Diejenigen, die mit ihrer Arbeit vor wie hinter der Kamera für die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich stehen, erklären diese Werte in 2:47 Minuten öffentlichkeitswirksam für gefährdet.
Damit hat die Kritik am chronisch umstrittenen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz eine Deutlichkeit erreicht, die seine Zukunft als Senderchef infrage stellt. Sollte man meinen. Doch Wrabetz ist ein Überlebenskünstler, wurde erst im August mit großer Mehrheit im Amt bestätigt - und das, nachdem er 2009 schon mal als erledigt galt. Gerettet hat ihn damals auch seine Zugänglichkeit für "Personalvorschläge" aus der Politik.
Sollte eine gewohnheitsmäßige Erkenntlichkeit - Wrabetz hievte nach seiner Wiederwahl SPÖ-Funktionär Niko Pelinka ins neu geschaffene Amt des Büroleiters - ihm diesmal tatsächlich zum Verhängnis werden?
ist Co-Ressortleiter von taz2/Medien.
Die öffentliche Empörung über diesen Freundschaftsdienst und 3.000 ignorierte Bewerbungen um den Büroleiterposten nährt die Hoffnung, dass die Zeit der Resignation vorbei ist: Will Österreich das Ansehen seines gegängelten öffentlich-rechtlichen Rundfunks doch noch retten?
Die Voraussetzungen dafür sind nach der jüngsten Eskalation durch die Berufung Pelinkas jedoch denkbar schlecht, gilt es doch zunächst die über Jahrzehnte zementierte innere Spaltung des ORF zu überwinden: zwischen Journalisten, die um ihre Unabhängigkeit fürchten, und einer Senderführung, die an ihrer durch Zugeständnisse teuer erkauften Macht klebt. Das Protestvideo soll ein Weckruf sein. Doch die ORF-Hierarchen haben einen festen Schlaf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!