Kommentar Notstand in Thailand: Eliten kämpfen um Machterhalt
Eine Reform von Thailands politischem System wäre unbedingt nötig, doch sie dürfte nicht nur von der konservativen Elite gestaltet werden. Eine solche Reform ist aber nicht in Sicht.
Die thailändische Regierung kann mit einem Ausnahmezustand vielleicht zunächst für Ruhe sorgen - befrieden wird sie die Lage in Bangkok damit nicht. Dazu ist die gesellschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich, Land und Stadt zu tief und es sind keine Konzepte erkennbar, um sie zu überbrücken. Die aktuelle Situation ist Ausdruck eines politischen Versäumnisses nach dem Militärputsch vom September 2006. Damals hatte die Armee den populistischen Premier Thaksin Shinawatra gestürzt. Die Vorwürfe lauteten auf massive Korruption und Amtsmissbrauch. Doch einen "Plan B" hatten Militär und Übergangsregierung nicht parat.
Die damaligen Machthaber wollten mit dem Sturz Thaksins zugleich auch die nationale Versöhnung einleiten. Doch sie haben es nicht geschafft, die Mehrheit des thailändischen Volkes, nämlich die Klientel der armen Landbevölkerung aus dem Norden und Nordosten an sich zu binden. Genau das aber hätten sie tun müssen, um das Vertrauen dieser Menschen, die jahrelang als vernachlässigte Wählerschaft galten, zu erringen. Sie hätten diejenigen Kräfte, die Thaksin für seine haushohen Wahlsiege genutzt hatte, mit ins Boot nehmen müssen. Und diesen entscheidenden Punkt haben die Machthaber übersehen: Nämlich dass die Masse der Thais gelernt hat, dass Wahlen ein machtvolles Instrumentarium sind, durch welches sie ihre Stimmen erheben können.
Doch die konservative Elite in Bangkok hat sich damit nicht arrangieren wollen. Es geht um Machterhalt und Einfluss ebendieser Eliten, die die breite Masse der Bevölkerung vom politischen Prozess ausschließen möchte. Sicherlich: Thailands politisches System ist durchsetzt von Korruption, Stimmenkauf und Machtmissbrauch. Damit stand Expremier Thaksin nicht allein. Daher wäre eine Reform des politischen Systems unbedingt nötig. Doch sie dürfte nicht nur von jenen gestaltet werden, die Geld und gesellschaftliche Verbindungen haben. Eine solche Reform ist aber nicht in Sicht. So wird Thailand auf kurz oder lang ein geteiltes Land bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!