Kommentar Nigeria: Ratlos gegenüber Islamisten
Die nordostnigerianischen Islamisten blühen auf der Basis von Ignoranz und Perspektivlosigkeit unter einer rasch wachsenden und sehr armen Bevölkerung.
F ür den multikulturellen Vielvölkerstaat Nigeria ist blutige Gewalt zwischen Religionsgemeinschaften leider nichts Neues. Aber was jetzt im entlegenen Nordosten passiert, wo Nigeria nahe der Grenze zu Niger, Tschad und Kamerun in die Sahelzone reicht, hat eine neue Qualität. Militante Islamisten nennen sich "Taliban" und gehen direkt auf die Staatsmacht los. Das hat mehr mit transnationalem Islamismus zu tun und weniger mit innernigerianischen Kulturkämpfen.
Afrikas Sahel- und Sahara-Region ist eine Transitregion des Fernhandels, und da verwundert es nicht, wenn nicht nur Migranten und Händler das zu nutzen wissen. Die islamistische "al-Qaida im Maghreb" hat ihre Überfälle, Mordanschläge und Geiselnahmen in Algerien, Mauretanien, Mali und Niger schon so ausgeweitet, dass die Länder der Region sowie Libyen vor kurzem eine militärische Zusammenarbeit vereinbarten. Bis hinein in den Tschad reichen die Verbindungen, wenn nicht gar in Sudans Kriegsregion Darfur. Und die Gewalt in Nigeria ist jetzt just dort explodiert, wo die großen Transsahara-Handelswege Westafrika erreichen.
Eine gemeinsame Strategie gegen die Islamisten ist unerlässlich. Aber bislang wird dies ausschließlich auf der militärischen Ebene diskutiert. Wo bleibt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gegen radikale Prediger und ihre Koranschulen, für Aufklärung und Rechtsstaatlichkeit, für ein funktionierendes Bildungswesen, für die ökologische Bewahrung bedrohter Lebensgrundlagen?
Dominic Johnson ist Auslandsredakteur mit Schwerpunkt Afrika der taz.
Die nordostnigerianischen Islamisten, deren eine Gruppe sich nicht von ungefähr "boko haram" (Bücher sind Sünde) nennt, blühen auf der Basis von Ignoranz und Perspektivlosigkeit unter einer rasch wachsenden und sehr armen Bevölkerung. Diese Herausforderung haben die Regierungen und ihre westlichen Partner noch nicht wirklich begriffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland