Kommentar Neues Jahrzehnt: Lasst uns auf ein Wunder hoffen
Fast alles wird besser – außer der Wirtschaft. Die muss schlechter werden, vor allem in Mitteleuropa. Dort wird dafür das Wetter besser, dank der globalen Erwärmung.
V ermutlich wird alles besser, außer der Wirtschaft. Das Wetter wird sowieso besser, weil es einfach besser werden muss, wenn die globale Erwärmung in Mitteleuropa auch nur einen Hauch von Glaubwürdigkeit behalten will.
Besser werden dann sicher auch die Luftfahrtunternehmen und die Eisenbahn, weil sie sich bei besserem Wetter wieder ganz dem Shareholder-Value widmen können, statt ihren Kunden zu Diensten zu sein.
Die Wirtschaft muss schlechter werden, vor allem in Mitteleuropa, denn Wunder gibt es nun mal nicht in jedem Jahrzehnt. Und das letzte Jahrzehnt hatte schon eines in Form einer europäischen Währung.
Heiner Flassbeck war bis 1999 Staatssekretär für Finanzen und ist heute Chefvolkswirt bei der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung (Unctad) in Genf.
Das letzte Jahrzehnt hat auch schön gezeigt, wie die Politik mit solchen Wirtschaftswundern wie dem Euro umgeht. Statt sie zu pflegen und zu hegen, warten sie auf die erste Gelegenheit, das Wunder in eine Katastrophe zu verwandeln, weil sie sowieso noch nie verstanden hatten, warum es ein Wunder war. Was wiederum kein Wunder ist, denn deswegen war es ja ein Wunder.
Überhaupt, Demokratie und gute Wirtschaftspolitik. Noch nie hat man deren natürlichen Gegensatz so klar beobachten können wie in den letzten zwölf Jahren: Etwa alle vier Jahre, wenn die alten Politiker gerade zu begreifen beginnen, worum es geht, kommen neue Politiker dran, die genauso wenig wissen wie die alten und prompt die gleichen Fehler machen.
Deswegen müssen wir trotz der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit wieder auf ein Wunder hoffen, weil wir sonst alle unser blaues Wunder erleben werden.
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